Die Macht der Unentschlossenen

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Meinungsforscher sehen die Gruppe unschlüssiger Wähler deutlich geschrumpft. Aber 450.000 Wähler könnten für BZÖ, Neos sowie Rot-Schwarz "Zünglein an der Waage" sein.

Wien. Insgesamt 6,384.296 Frauen und Männer sind übermorgen, Sonntag, wahlberechtigt – so viele wie noch nie. Rund eine halbe Million Österreicher, die zur Nationalratswahl gehen wollen, haben tatsächlich ihre Entscheidung noch nicht getroffen. Die Meinungsforscher Peter Hajek (Public Opinion Strategies) und Franz Sommer (Arge Wahlen) halten die Zahl, wonach bis zu einem Drittel der Wähler noch unentschlossen sei, im Gespräch mit der „Presse“ für „überschätzt“. Sie gehen von höchstens zehn Prozent der tatsächlichen Wähler aus.

Hajek beziffert die Unentschlossenen auf Basis einer Befragung von 1000 Personen in der Vorwoche mit rund 450.000 Wählern, die tatsächlich zur Wahl gehen. Sommer grenzt die Gruppe sogar auf rund 320.000 bis 400.000 Unentschlossene ein.

Er sieht daher auch keinen großen Unterschied zur Zahl der Unentschlossenen bei der letzten Nationalratswahl 2008. Außerdem ist er mit seinem Kollegen Hajek einig, dass die Stimmen der Unentschlossenen nicht mehr die „dramatischen“ Verschiebungen bei den Ergebnissen der einzelnen Parteien bringen werden.

Wichtiger ist vielmehr, wie sehr bis zum Wahlsonntag die Mobilisierung jener Anhänger gelingt, die sich schon für eine Partei entschieden haben. Jede Partei müsse vor allem schauen, dass sie ihre Wähler tatsächlich zu den Wahlurnen bekommt, erläutert Hajek.

Fragezeichen um Einzug

Allerdings liegt die Macht der Unentschlossenen diesmal in der besonderen Konstellation vor diesem Wahlsonntag. Dabei geht es um die Frage, ob das BZÖ beziehungsweise die Neos oder auch beide den Einzug in das Parlament schaffen. In weiterer Folge hängt davon ab, ob SPÖ und ÖVP gemeinsam eine absolute Mehrheit an Mandaten im Nationalrat erreichen. Auch weitere Demoskopen attestieren BZÖ und Neos, dass diese in den vergangenen Wochen zugelegt haben und damit die Vier-Prozent-Hürde als Grenze für den Einzug überspringen könnten. In diesem Fall wackelt trotz einer Pufferzone für Verluste die rot-schwarze Mehrheit von zusammen zumindest 93 der 183 Mandate.

Dies macht am Sonntag auch die geschrumpfte Zahl der Spätentschlossenen zu einem Machtfaktor. „Für diese Fälle ist der Einfluss wirklich groß“, betont Hajek. „Die Unentschlossenen sind das Zünglein an der Waage.“ Das gilt darüber hinaus auch für die Frage, ob die FPÖ die ÖVP eventuell doch als zweitstärkste Kraft überholt.

Bei Hajeks Untersuchung gaben immerhin 74 Prozent an, sie würden zur Wahl gehen (die Beteiligung 2008 lag bei 78,8 Prozent). Was die Spannung zusätzlich erhöht, ist: Befragte, die, SPÖ, ÖVP, FPÖ, Grüne und Team Stronach wählen wollen, erklärten zu mehr als 75 Prozent, zur Wahl zu gehen. Bei BZÖ und Neos waren dies hingegen nur 50 Prozent. „Dort ist der Unsicherheitsfaktor“, meint Hajek.

SPÖ-, ÖVP-Wähler früher dran

Meinungsforscher Sommer verweist dazu grundsätzlich auf einen Trend. Demnach würden sich Wähler der „Traditionsparteien“, das seien die Wähler der derzeitigen Regierungsparteien SPÖ und ÖVP, „früher entscheiden“. Diese verfügen auch über mehr Stammwähler. In der Gruppe der „Spätentscheider“ seien hingegen die anderen Parteien stärker vertreten: nämlich Neos, BZÖ, aber auch die Grünen sowie die FPÖ.

AUF EINEN BLICK

Unentschlossene. 320.000 bis 450.000 Wähler, die tatsächlich zur Nationalratswahl gehen wollen, sind nach Daten der Meinungsforscher Franz Sommer (Arge Wahlen) und Peter Hajek (Public Opinion Strategies) noch unentschlossen. Damit sei die Gruppe ähnlich groß wie bei der Nationalratswahl 2008.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.09.2013)


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