Warum der Iran verhandeln will

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Hinter der Charmeoffensive steckt Kalkül, warnen Oppositionelle: Präsident Rohani will eine Lockerung der Sanktionen im Atomstreit erreichen, denn die Unzufriedenheit im Iran wächst.

New York. Einen Erfolg kann der sanft blickende iranische Präsident bei seinem ersten offiziellen US-Besuch bereits verbuchen: Hassan Rohani machte mit einer Blitz-Charmeoffensive das Bad-Guy-Image seines Vorgängers Mahmoud Ahmadinejad wett. Den wichtigsten US-Medien gab der Staatschef am Rande der UN-Vollversammlung Interviews: „Ich bringe Frieden“, sagte er da freundlich. „Und die Freundschaft der Iraner.“

Zugleich warb er dabei massiv für eine rasche Lösung des Atomstreits mit dem Mullah-Regime. Er strebe eine Verhandlung innerhalb von drei Monaten an, ließ Rohani die „Washington Post“ wissen. Gestern, Donnerstag, sollten erste Schritte dazu gesetzt werden: Am Abend trafen in New York die Außenminister der fünf UN-Vetomächte (China, Russland, Frankreich, Großbritannien, USA) und Deutschlands ihren iranischen Kollegen Mohammed Dschawad Sarif. Ergebnisse wurden dabei nicht erwartet: Rohani hat bei seinem ersten UNO-Auftritt Gesprächsbereitschaft signalisiert, aber keinen einzigen konkreten Vorschlag unterbreitet. Teheran will weiter Uran anreichern, der Westen behauptet, das Regime baue insgeheim eine Atombombe.

Doch gestern ging es vor allem um Symbolisches: Dass der US-Außenminister direkt mit einem Vertreter aus dem verfeindeten Iran verhandelte, galt als Beginn eines Tauwetters in den frostigen US-iranischen Beziehungen.

Das Leben wird immer teurer

Doch was steckt wirklich hinter den konzilianten Tönen aus Teheran? Eine Antwort dazu lieferte Rohani selbst im Wahlkampf: Der Präsident strebt in allererster Linie eine Lockerung der Sanktionen an. Auch aus diesem Grund hat die Mehrheit der Iraner Rohani im Juni gewählt. Sie erwarten von ihm eine Verbesserung der Wirtschaftslage. Seit Beginn des Öl-Embargos der USA und der EU vor mehr als einem Jahr haben sich die Einnahmen des Golfstaates mehr als halbiert. (Teheran liefert jetzt vor allem nach China, Indien und die Türkei.) Zudem ist US-Bürgern nahezu jeglicher Handel mit Teheran untersagt, Handelseinschränkungen der EU und der UNO schwächen die Wirtschaft zusätzlich. Hinzu kommt, dass der Iran vom internationalen Bankensystem de facto isoliert ist.

Die Auswirkungen der Sanktionen bekommt vor allem die Bevölkerung zu spüren: Immer mehr – vor allem junge – Menschen haben keinen Job, die Landeswährung Rial hat in den letzten beiden Jahren etwa zwei Drittel ihres Wertes zum Dollar verloren. Und die Preise schnellen in die Höhe: Im Juli lag die Inflation bei 44 Prozent, Lebensmittel wie Zucker oder Obst haben sich um das Vierfache verteuert. Im Winter lösten steigende Preise für Geflügel landesweit Unmut aus – und zugleich die Angst des Regimes einer Wiederholung der Protestwelle von 2009.

„Killing me softly“ heißt bezeichnenderweise ein Bericht, den Oppositionelle zu den Sanktionen verfasst haben. Darin wird über Medikamentenmangel berichtet, die langen Schlangen vor Lebensmittelgeschäften und den boomenden Schwarzmarkt. Die Autorin prangert an, dass durch die Sanktionen gegen die Zentralbank auch die Arbeit von Intellektuellen eingeschränkt werde. „Wir sind isoliert“, sagt sie. Man könne keine Reisen mehr buchen oder Konferenzen im Ausland besuchen.

Schwacher Ölpreis

Und nun droht der schwächelnde Ölpreis die Wirtschaftslage weiter zu verschlimmern. Die Rohstoffpreise– und die Angst vor den sozialen Konsequenzen – dürften Rohani schlaflose Nächte bereiten. Ein iranischer Journalist, der unter einem Pseudonym schreibt, warnt in der „Asia Times“: Der Ölpreis – und nicht Reformeifer – stecke hinter der neuen „iranischen Sanftheit“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.09.2013)

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