Rote Lok gegen „Sozialheuchler“

Rote gegen Sozialheuchler
Rote gegen Sozialheuchler(c) EPA (ROLAND SCHLAGER)
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Wahlabschluss. Ein Fernduell in der Wiener Innenstadt: Faymanns SPÖ fährt mit Volldampf gegen die ÖVP. FPÖ-Obmann Strache wettert gegen alle – vor allem aber gegen Rot-Schwarz.

Wien. „Der neue und alte Bundeskanzler - Werner Faymann": Der Regierungschef wird von Moderator Alfons Haider zum SPÖ-Wahlabschluss am Freitagabend begrüßt, als ob die Nationalratswahl für die SPÖ schon gelaufen wäre. Beim Einzug des Regierungsteams ins Festzelt vor der SPÖ-Zentrale in der Wiener Innenstadt erschallen „Zugabe"-Rufe für eine Verlängerung von Faymanns Amtszeit.Der Kanzler mehr staatstragend und Wiens Bürgermeister Michael Häupl in deftiger Form machen die Wahl zum Kampf gegen einen Abbau von Arbeitnehmerrechten - und schießen sich auf die „Sozialheuchler" in der ÖVP ein. „Es darf nie jemand Bundeskanzler werden, der die Logik von Lohnabbau und Reduktion von Arbeitnehmerrechten hat", donnert Faymann unter Applaus ins Mikrofon.

Erklärtes Ziel der SPÖ ist, dass sie stärkste Partei bleibt oder, wie es Faymann ausdrückt, dass „die Lokomotive rot ist und in die richtige Richtung fährt". Ein so starkes Zurück zu den roten Wurzeln gab es in der SPÖ schon lange nicht. Zwei Tage vor der Wahl fährt diese rote Lok noch einmal mit Volldampf und Klassenkampf gegen den Regierungspartner. „Diese Partei hat für Arbeitnehmer und Menschen mit kleinem Einkommen einfach nichts übrig", beklagt Faymann. ÖVP-Chef Michael Spindelegger seien 1500 Euro Mindestlohn in einigen Bereichen zuviel, gleichzeitig mache er sich Sorgen, ob Milliardäre „ein bisschen mehr für die Gesellschaft beitragen".

Häupl und Omas Ringe

Häupl hat davor eine anonyme Werbeaktion, für die er die ÖVP verantwortlich macht, aufs Korn genommen. Darin wird auch vor neuen SPÖ-Steuern auf geerbte „Kleinigkeiten" wie Omas Ringe gewarnt. „Ihr kennt sicher einen Haufen Großmütter, die Eheringe im Wert von einer Million haben", scherzt er zum Gaudium der Genossen im Festzelt. Direkt an den ÖVP-Chef gerichtet setzt Häupl erdig nach: „Ganz unter uns: Für wie deppert halten Sie die Leute?" Dass die ÖVP die Millionärssteuer als „Faymann-Steuern" abtue, nimmt er dagegen locker: „Wer hat was gegen Faymann-Steuern? Kein Mensch!"
Rot-weiß-Rot prangt auf der Bühne an der Stirnseite, dazu nur der Schriftzug „Gemeinsam für Österreich". Faymann malt am Ende das Bild von einem „fairen, gerechten, starken" Österreich. Das dürfe durch Schwarz-Blau nicht „schlecht gemacht" werden.

Es ist ein Fernduell in der Wiener Innenstadt: Denn fast gleichzeitig tritt FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache auf dem Stephansplatz auf. Dort werden Flyer verteilt, Luftballone verschenkt und Bier ausgeschenkt. Als Strache die blaue Bühne betritt, jubelt die Menge. Rund 2000 Zuhörer zählt die Polizei. Auch Schaulustige sowie einige verwirrte Touristen sind dabei.

Straches Reden-Schreiber, Herbert Kickl, hat sich jedenfalls besonders viele Scherze für die Menschenmenge ausgedacht: Strache spricht zum Beispiel die „Aufregung" über das Foto an, das ihn in Badehose zeigt. „Ich verspreche euch, ich werde auch in Zukunft keinen Burkini tragen!", ruft er ins Mikrofon. Damit hat er die Lacher schon auf seiner Seite. Dann noch ein Reim: „Willst du eine Wohnung haben, brauchst du nur ein Kopftuch tragen", ehe er schon bei seinen Lieblingsgegnern ist: Die rot-schwarze Bundesregierung sowie Rot-Grün in Wien.

„Die trauen sich nicht her"

Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou solle ohnehin zurück nach Griechenland gehen. Auch Werner Faymann und Michael Spindelegger würden sich nicht unter die Leute trauen: „Oder haben Sie die beiden schon einmal hier gesehen? Die trauen sich nicht her!" Schließlich imitiert er noch Frank Stronach und seinen kanadischen Akzent. Strache also gegen den Rest der Politik, dieses Bild will er verbreiten.

Dann ist fast schon seine Redezeit vorbei. „Gemma dann jetzt?", fragt ein Besucher seine Frau. „Ich will mir die da hinten noch ansehen", sagt er und marschiert Richtung Graben. Die da hinten, das sind laut Polizei rund 500 Demonstranten, die gegen Straches „Kundgebung" protestieren.

„Nazis raus aus dem Parlament", steht auf ihren Schildern. Oder: „1938 Gründe gegen die FPÖ". Die Polizei hält die beiden Gruppen getrennt. Während die Anhänger der Sozialistischen Jugend ihre Fahnen mit „SJ" schwenken, holt Strache auf der Bühne die Österreich-Fahne heraus.

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