Ein wesentlicher Belastungszeuge erschien auch diesmal nicht. Die Urteilsverkündung wird frühestens am Dienstagnachmittag stattfinden.
Im Wiener Straflandesgericht ist am Montag das Beweisverfahren im Prozess gegen den mutmaßlichen Wiener Rotlicht-Boss Richard St. und fünf Mitangeklagte abgeschlossen worden. Am Nachmittag hielt Staatsanwältin Susanne Kerbl-Cortella ihren Schlussvortrag, anschließend kam der Verteidiger von St., Christian Werner, zu Wort. Mit den Urteilen ist am Dienstagnachmittag zu rechnen.
Bei der Verhandlung geht es in erster Linie um angebliche Schutzgeld-Erpressungen im Rotlicht-Milieu und damit in Zusammenhang stehende Körperverletzungen. Auch die Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB, der sogenannte Mafiaparagraf) wird den Angeklagten vorgeworfen. Sein „Verein Freies Wien“ oder auch „Nokia-Club“ habe eine Art Nachbarschaftshilfe betrieben, sagte St. stets. Rotlicht-Lokalbetreiber seien freiwillig beigetreten. Und hätten für 200 bis 700 Euro pro Monat „Schutz“ erhalten. „Keine Waffen, keine Drogen“, sei Beitrittsbedingung gewesen, so St. im Sommer vor Gericht.
Die Verhandlung hätte an sich schon Anfang August in erster Instanz beendet werden sollen, doch da ein wesentlicher Zeuge nicht erschienen waren, musste vertagt werden. Ein von der Staatsanwaltschaft als wesentlicher Belastungszeuge geführter Mann erschien auch diesmal nicht. Dafür legte Richard St. zum nicht geringen Erstaunen von Richter Stefan Erdei eine notariell beglaubigte Bestätigung des Abwesenden vor, der ihn im Vorfeld belastet hatte. In dem Schriftstück hält der Mann fest, er habe St. "zu keinem Zeitpunkt Schutzgeld bezahlt", was er in einer polizeilichen Einvernahme im April 2010 noch anders dargestellt hatte.
"Er hat sich tausend Mal entschuldigt"
Der Richter wunderte sich zunächst, wie es St. gelungen war, an den Zeugen zu kommen, der für die Justiz offensichtlich nicht greifbar ist, obwohl er zwecks seiner Zeugenaussage sogar zur Fahndung ausgeschrieben wurde. Er habe diesen eines Tages zufällig in einem Laufhaus getroffen, erklärte der mutmaßliche frühere Rotlicht-Boss: "Er hat sich bei mir tausend Mal entschuldigt, dass er früher das gesagt hat." Er habe daraufhin beschlossen, mit dem Mann einen Notar aufzusuchen, auf dass dieser den Widerruf der ursprünglichen Angaben dokumentiere. "Ich war nicht bewaffnet", betonte St. in diesem Zusammenhang.
Der Zeuge habe gegen ihn ausgesagt, um vorzeitig aus der Haft entlassen zu werden und einen rechtmäßigen Aufenthaltstitel in Österreich zu bekommen. Erwiesenermaßen hatte der Mann zwischenzeitlich in einem Medienverfahren als Zeuge seine schwerwiegenden Anschuldigungen gegen Richard St. relativiert.
Kurzes Schlusswort der Anklägerin
Nach mehrjährigen Ermittlungen, einer zwei Jahre langen U-Haft für Richard St. und einer 30 Verhandlungstage umfassenden Hauptverhandlung hat Staatsanwältin Kerbl-Cortella zum Abschluss des Prozesses aerstaunlich wenige Worte über diesen und die fünf Mitangeklagten verloren. Sie begnügte sich in ihrem nur fünf Minuten dauernden Schlussplädoyer im Wesentlichen damit, den ermittelnden Polizisten ein unvoreingenommenes Vorgehen zu bescheinigen.
Die Belastungszeugen hätten in der Hauptverhandlung "samt und sonders zurückgerudert", räumte Kerbl-Cortella ein, was sie "auf die Vernehmungsatmosphäre in Anwesenheit der Angeklagten" zurückführte. Sie zeigte sich dessen ungeachtet überzeugt, dass das Beweisverfahren die Anklage "im vollen Umfang" bestätigt habe, verlangte dementsprechende Verurteilungen und trat für "unbedingte Freiheitsstrafen" ein.
Veteidiger: "Legale Nachbarschaftshilfe"
Der Verteidiger von Richard St., Christian Werner, kritisierte demgegenüber die lange Ermittlungsdauer und betonte, sein Mandant habe keine Schutzgeld-Erpressungen begangen, sondern im Wiener Nachtleben "eine legale Nachbarschaftshilfe betrieben".
Am Dienstag kommen ab 9.30 Uhr noch die Angeklagten kurz zu Wort. Ihnen steht das Recht auf ein abschließendes Statement zu, ehe sich das Gericht zur Beratung über die Schuld- und Straffrage zurückziehen wird. Die Urteile könnten bereits zu Mittag oder am frühen Nachmittag vorliegen.
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mutmaßlichen Wiener Rotlicht-Boss Richard St. und fünf Mitangeklagte fortgesetzt. Zwei für die Staatsanwaltschaft wichtige Zeugen sollen noch vernommen werden, die dem Vernehmen nach die Anklage erhärten sollen.
Im Anschluss wären - sollten keine weiteren Beweisanträge folgen - die Schlussvorträge von Staatsanwältin Susanne Kerbl-Cortella und der Verteidiger vorgesehen. Die Urteilsverkündung wird frühestens am morgigen Dienstagnachmittag stattfinden.
(APA/Red.)