Fukushimas Fischer vor dem Aus

JAPAN EARTHQUAKE TSUNAMI ANNIVERSARY
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Seit der Atomkatastrophe kämpft die Fischereiindustrie in den zerstörten Gebieten Japans ums Überleben. Der Schaden soll nun mit einer Task-Force behoben werden. Das wird schwierig.

Tokio. „Zu viele Menschen leiden unter diesen schädlichen Gerüchten“, stellte Takumi Nemoto fest. Allzu oft heiße es, alles in und aus Fukushima sei verstrahlt, man könne von dort nichts mehr kaufen, essen oder dorthin reisen. „Wir müssen sicherstellen, dass die von diesen Gerüchten Betroffenen so wenig Schaden nehmen wie möglich.“ Dafür will Nemoto, der das neu eingeführte Amt des Wiederaufbauministers bekleidet, nun eine Task-Force einsetzen. Neben der Regierung sollen darin insbesondere die Betroffenen nach Lösungen suchen – also Vertreter von Konsumenten, Landwirten und der zuletzt so angeschlagenen Fischereibranche.

Der Vorstoß ist ein Versuch der Schadensbegrenzung. Seit dem 11. März 2011, als nach einem Erdbeben und dem folgenden Tsunami eine nukleare Reaktorkatastrophe begann, ist in Fukushima an ein normales Leben kaum zu denken. Gerade für die Fischer: Zum einen werden vor der Küste nach wie vor radioaktiv verseuchte Fische gefunden, zum anderen war auch die Politik bisher nicht immer hilfreich. Zuletzt schlug etwa der Chef der Atomregulierungsbehörde Shunichi Tanaka vor, einen Teil des Kühlwassers für die Brennstäbe der drei havarierten Atomreaktoren ins Meer zu leiten.

Importverbot für Fische

„Das können wir unter keinen Umständen akzeptieren“, schrieb die Fischereigenossenschaft JF Zengyoren in einem Brief an den Wirtschaftsminister. Jeder weitere Tropfen radioaktiven Wassers sei nicht akzeptabel. Schließlich fließen durch Lecks auf der Kraftwerksanlage ohnehin rund 300 Tonnen radioaktives Wasser täglich ins Meer. Kaum hatte Shunichi seine Idee verkündet, verbot Südkorea schon die Einfuhren von Fisch aus mehreren japanischen Präfekturen, allen voran Fukushima.

„Viele Fischer sind durch diese Krise in ihrer Existenz bedroht“, sagt Masahi Nishimura von der Vereinigung Japanischer Fischer. Wie Takumi Nemoto sagt auch Nishimura, dass Gerüchte einen großen Anteil an der Krise hätten. In der Praxis werde jeder Fang von der Regierung auf Strahlung untersucht, zu hoch belastete Fänge gingen nicht in den Verkauf. Zudem seien die Toleranzwerte nach März 2011 erheblich gesenkt worden. Trotzdem befürchtet die Genossenschaft JF Zengyoren, dass die japanische Fischindustrie, bisher eine der größten der Welt, langfristig zerstört wird.

Was kann eine Task-Force da noch helfen? Seit der Reaktorkatastrophe leben 160.000 ausgesiedelte Japaner noch immer entfernt von ihrer Heimat. Mehr als 28.000 Fischerboote gingen verloren und 1700 kommunale Fischereianlagen wurden zerstört. 319 Häfen, rund ein Zehntel aller Häfen Japans, waren nicht mehr zu gebrauchen. Die Fischervereinigung schätzt den materiellen Schaden in den sieben maßgeblich betroffenen Präfekturen an Japans Ostküste auf insgesamt 1,25 Billionen Yen (rund 9,4 Milliarden Euro).

Im Jahr 2011 sanken die Fischexporte landesweit um ein Viertel. Sichtlich erholt haben sie sich noch nicht. Vor 2011 waren 203.000 Menschen in der Fischereiindustrie beschäftigt, vielerorts war diese das ökonomische Rückgrat der Gemeinden, in einigen Orten machte sie bis zu 85 Prozent der Arbeitsplätze aus. Durch die Küstenabhängigkeit ist die Fischereibranche überdurchschnittlich stark betroffen und wird auch langfristig Probleme haben. Das bestätigte Takumi Nemoto auf seiner Pressekonferenz: „Es gibt einige Regionen in Fukushima, in die Menschen für sehr, sehr lange Zeit nicht zurückkehren werden können.“

Neue Konjunkturspritze

2010 hatten Fischer aus Fukushima noch elf Milliarden Euro umgesetzt, ein Jahr später nur noch ein gutes Zehntel davon. Daten des Fischereiministeriums zeigten zuletzt, dass die Preise sowie Fangmengen vieler Fischsorten seit 2011 nicht mehr gesunken ist. Aber die Importbeschränkungen aus Korea könnten die Lage wieder schwieriger machen.

Die Vereinigung Japanischer Fischer wirkt deshalb verzweifelt. Statt zu versuchen, die Welt von der Qualität japanischer Fänge zu überzeugen, will man sich stärker am Inlandsmarkt orientieren, in Hoffnung auf die Solidarität japanischer Konsumenten. Damit die sich trotz geplanter Steuererhöhungen künftig wieder mehr leisten können, plant die Regierung ein neues Konjunkturprogramm. 45 Milliarden Euro sollen in die Wirtschaft gesteckt werden, heißt es aus dm Umfeld von Ministerpräsident Shinzo Abe. Auch eine Unternehmenssteuer soll wieder abgeschafft werden, damit die Unternehmen das eingesparte Geld in die Löhne ihrer Arbeiter stecken.

Ob das auch den Fischern hilft, bleibt dahingestellt. Der Fischkonsum in Japan war schon vor 2011 rückläufig. Eine Umfrage ergab, dass Japaner Fisch zwar für gesünder halten als Fleisch – aber künftig doch lieber Fleisch essen wollen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.10.2013)

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