Sie wollen nicht, sie müssen wohl

Michael Spindelegger, Werner Faymann
Michael Spindelegger, Werner Faymann (c) REUTERS (LISI NIESNER)
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Die SPÖ hat es mit Rot-Schwarz eilig. Die Variante ist zwar wahrscheinlich, aber ÖVP-Chef Spindelegger spricht mit allen Parteien. Teile der ÖVP liebäugeln mit einer Mitte-rechts-Regierung.

Wien. Werner Faymann und der SPÖ kann es nicht schnell genug gehen: Das Parteipräsidium hat sich am Montag festgelegt, nur mit dem bisherigen Koalitionspartner ÖVP über eine neue Regierung zu verhandeln. Eine Dreierkoalition lehnen die Sozialdemokraten ab. Seit dem Wahlsonntag hat Faymann deswegen auch schon mit ÖVP-Obmann Michael Spindelegger Kontakt aufgenommen. Dazu kommt Druck von Bundespräsident Heinz Fischer. Dieser hat im ORF-Radio bekräftigt, dass er erneut eine Zweierkoalition wünsche. Das bedeutet im Klartext Rot-Schwarz, weil die SPÖ eine rechnerisch mögliche rot-blaue Koalition ablehnt.

Die ÖVP kommt damit in eine ähnliche Situation wie nach der Nationalratswahl 1999, als der damalige Bundespräsident Thomas Klestil auf eine Neuauflage von Rot-Schwarz gedrängt hat. Der Unterschied: Damals war die ÖVP knapp hinter die FPÖ auf Platz drei abgerutscht. Jetzt ist die Volkspartei doch zweitstärkste Partei geblieben, die SPÖ hat gleich viel verloren.

Der Widerstand gegen eine Neuauflage einer rot-schwarzen Koalition mit der ÖVP als Juniorpartner ist parteiintern jedenfalls breit. Die Befürchtung ist, dass die Volkspartei bei der nächsten Nationalratswahl in einer derartigen Konstellation noch schlechter abschneiden würde. Die ÖVP hat einen Vorteil: Sie hat zumindest rechnerisch ebenso die Möglichkeit, eine Mitte-rechts-Regierung mit der FPÖ und dem Team Stronach zu bilden. Einige Schwarze denken auch laut über eine „bürgerliche“ Koalition von ÖVP, FPÖ und den neu ins Parlament eingezogenen Neos nach. Allerdings hat Neos-Chef Matthias Strolz eine Regierung mit den Freiheitlichen strikt ausgeschlossen. Zugleich haben die Neos am Montag das Angebot für eine gemeinsame Regierung mit SPÖ und ÖVP bekräftigt.

Auch wenn eine weitere Regierungsarbeit mit der SPÖ noch immer als wahrscheinlich gilt, setzt die ÖVP vorerst auf Zeit. „Alle Optionen offenlassen“, lautet parteiintern die Linie. Für die abendliche Sitzung des ÖVP-Bundesparteivorstandes wurde deswegen erwartet, dass Spindelegger den Auftrag erhält, vorerst in Gesprächen mit allen Parteien die Lage auszuloten und kein Verhandlungskomitee einzusetzen. Damit lässt die ÖVP Faymann einmal zappeln, um diesen mürbe zu machen und dann mehr Zugeständnisse zu bekommen.

Große Koalition: Immer mehr Skeptiker

Tatsächlich gibt es in der ÖVP Strömungen für eine Mitte-rechts-Regierung mit der FPÖ und dem Team Stronach oder auch den Neos. Unterstützung finden derartige Pläne bei Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer und Vorarlbergs Landeschef Markus Wallner, die beide vor einer Neuauflage von Rot-Schwarz warnen. Für eine Einbindung der Neos in eine Regierung treten Kärntens ÖVP-Chef Gabriel Obernosterer ein, auch Wiens Obmann Manfred Juraczka fände dies „interessant“.

Haupthindernis für Schwarz-Blau-Stronach sind die Aversionen gegen Euro und EU der beiden bisherigen Oppositionsparteien. Allerdings sieht man in der ÖVP einen guten Draht zu Stronachs Listenzweiter, Kathrin Nachbaur, und Klubchef Robert Lugar. Das größere Problem gibt es mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, der fürchtet, dass seine Partei wie nach 2000 in einer Regierung „erdrückt“ werde. EU-Abgeordneter Andreas Mölzer lässt aber eine Tür offen, wenn die FPÖ ihren Einfluss geltend machen könne, würde er „sofort Ja sagen“.

Realistischer ist dennoch eine Fortsetzung von Rot-Schwarz. Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll, mächtigster Politiker in der ÖVP, ist am Sonntag vorgeprescht. Die Linie dabei: Es könne nicht so weitergehen wie bisher, es müsse Reformen geben. Dafür machte sich etwa der steirische ÖVP-Chef Hermann Schützenhöfer stark.

Grundsätzlich ist Faymanns SPÖ dazu bereit. Diese möchte eine künftige Regierungsarbeit anders („höhere gemeinsame Disziplin“) angehen und setzt speziell auf mehr Miteinander innerhalb der Regierung. In der Bundes-ÖVP wird das mit Skepsis gesehen: Man befürchtet, dass es den Sozialdemokraten nur um eine Stiländerung gehe.

Weitere Infos:www.diepresse.com/wahl13

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.10.2013)

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