Rechts-Regierung droht an EU zu scheitern

NATIONALRATSWAHL 2013: PARLAMENT/FAYMANN; SPINDELEGGER; STRACHE
NATIONALRATSWAHL 2013: PARLAMENT/FAYMANN; SPINDELEGGER; STRACHEAPA/HELMUT FOHRINGER
  • Drucken

Der Weg zu einer Regierung ist diesmal nicht einfach. Nicht nur taktische Überlegungen werden für langwierige Verhandlungen sorgen, auch inhaltlich gibt es etliche Stolpersteine. Eine Bewertung.

Wien. In den nächsten Tagen wird Bundespräsident Heinz Fischer den Startschuss für Regierungsverhandlungen geben. Auch wenn sich in der SPÖ zuletzt einzelne Funktionäre wie der Salzburger Arbeiterkammer-Präsident Siegfried Pichler für Gespräche mit der FPÖ ausgesprochen haben und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sich verhandlungsbereit gibt – realistisch sind wohl nur zwei Koalitionsvarianten: eine Neuauflage von Rot-Schwarz und eine Mitte-rechts-Regierung, gebildet aus ÖVP, FPÖ und Team Stronach. Einfach sind beide Varianten nicht, denn inhaltlich liegen die Parteien teilweise so weit auseinander, dass keine Kompromisse möglich sind.

> Umfrage: Soll die SPÖ mit der FPÖ verhandeln?

SPÖ-ÖVP

Streitpunkt Vermögensteuern
Unüberbrückbar sind die Gegensätze in puncto Steuerreform: Zwar sind sich beide Parteien einig, dass bei der Lohn- und Einkommensteuer der Eingangstarif gesenkt gehört, doch es spießt sich bei der Gegenfinanzierung. Die SPÖ will eine Vermögensteuer sowie eine Wiedereinführung der Erbschafts- und Schenkungssteuer – beides für Vermögen ab einer Million Euro. Die ÖVP hat sich im Wahlkampf festgelegt: keine neuen Steuern. Ein Kompromiss ist da unmöglich, eine der beiden Seiten muss nachgeben. Und da dies ein Kernthema des Wahlkampfes war, wäre das auch mit einem Imageverlust verbunden. Unvereinbar sind auch die Standpunkte bei der Familienförderung: Während die ÖVP einen Steuerfreibetrag von 7000 Euro pro Kind vorschlägt, will die SPÖ die Familienbeihilfe erhöhen und damit für jedes Kind gleich viel ausschütten.

Dauerstreitthema Schule
Über die gemeinsame Schule für die Zehn- bis 14-Jährigen haben schon alle Großen Koalitionen der vergangenen Jahrzehnte gestritten, eine Einigung ist auch diesmal nicht wahrscheinlich. Die ÖVP ist weiterhin für die Beibehaltung des Gymnasiums und wird diese Position wohl auch nicht aufgeben. Bewegung wird es dafür bei der Ganztagsschule geben, die die SPÖ massiv ausbauen will, während die ÖVP eher auf der Bremse steht. Da scheint ein Kompromiss zumindest möglich.

Studiengebühren
Auch bei den Universitäten sind die Konfliktlinien bekannt: Die ÖVP will den Universitäten das Recht geben, Studiengebühren einzuheben, die SPÖ plädiert für ein kostenloses Studium. Auch das ist ein Thema, bei dem einer der beiden Partner nachgeben müsste. Leichter sind Veränderungen bei den Zugangsbeschränkungen: Da hat die SPÖ schon in der letzten Periode Aufnahmeverfahren für bestimmte Fächer zugestimmt.

Die „Wirtschaft entfesseln“
Die ÖVP wird ihren Wahlkampfschlager einer „entfesselten Wirtschaft“ umsetzen wollen. Probleme wird es im Bereich des Arbeitsrechts geben: Einer Aufweichung von Arbeitnehmerschutzbestimmungen wird die SPÖ nicht zustimmen können – etwa bei der Ermöglichung einer täglichen Höchstarbeitszeit von zwölf Stunden. Beim Abbau bürokratischer Hürden sind aber Einigungen möglich.

Mieten regulieren
Die SPÖ will eine Deckelung der Zuschläge und somit eine Mietenobergrenze – ein Punkt, den die ÖVP nicht mittragen kann. Dafür wird man sich auf eine Wohnbauoffensive einigen können.

ÖVP-FPÖ-FRANK

Was wird aus Europa?
Anders als bei Rot-Schwarz ist das Steuerthema bei einer Koalition von ÖVP, FPÖ und Team Stronach kein Stolperstein. Alle drei Parteien haben sich gegen neue Steuern – speziell gegen Vermögensteuern – ausgesprochen. Dafür würde ein anderes Thema in den Mittelpunkt rücken: Europa. Die ÖVP könnte kaum von ihrem bisherigen Europakurs abweichen, während FPÖ und Team Stronach für einen radikalen Kurswechsel plädieren. Stronach will zurück zur nationalen Währung (nichts anderes wäre der „Österreich-Euro“), auch FPÖ-Chef Strache will Schritte in Richtung Ausstieg aus dem Euro. Und auch das Wahlversprechen der FPÖ, den Beitrag Österreichs zum EU-Budget kürzen zu wollen, ginge nicht ohne einen radikal anderen Kurs in der Europapolitik (und selbst dann wäre es fast unmöglich, dies durchzusetzen). Somit ist Schwarz-Blau-Stronach in der Europafrage zum Scheitern verurteilt – denn zumindest FPÖ und ÖVP können es sich nicht leisten, ihre Positionen aufzugeben.

Franks Regel
Frank Stronach hat im Wahlkampf eigentlich nur eine einzige Koalitionsbedingung aufgestellt: Sein Team Stronach darf keinem Budget zustimmen, das ein Defizit vorsieht. Das wird schon für das erste Jahr schwierig: Da sieht der Budgetfahrplan ein Minus von 3,7 Milliarden Euro vor. Mit Verwaltungsreformen – wie vom Team Stronach propagiert – wird sich das nicht beseitigen lassen, da derartige Reformen erst langfristig Erfolge bringen. Also muss entweder Franks Regel sofort über Bord geworfen werden, oder man beschließt drastische Sparmaßnahmen im Sozialbereich. Das aber wird mit der FPÖ schwer machbar sein, die ja deutlich höhere Sozialausgaben propagiert, sich etwa für eine Mindestpension von 1200 Euro ausspricht.

Welche Ausländerpolitik?
Für die Oppositionspartei FPÖ ist das Thema „Ausländer“ Garant für Stimmenzuwächse. Eine Regierungspartei FPÖ würde sich da deutlich schwerer tun, das weiß man seit der Schüssel-Regierung. Wer rechtliche Normen und internationale Verträge einhalten muss, kann eben Forderungen wie „Keine Sozialleistungen für Ausländer“ nicht umsetzen. Nicht vereinbar ist die FPÖ-Linie auch mit der bisherigen Politik von Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz – etwa mit dessen Forderung nach forcierter Einwanderung mittels Rot-Weiß-Rot-Karte. Kurz ist aber für die ÖVP unverzichtbar: Die Volkspartei wird ihren Shootingstar sicher nicht für eine Koalition mit der FPÖ opfern.

Auf einen Blick

Koalitionsvarianten.
Rechnerisch gibt es sechs Varianten, wahrscheinlich sind aber nur zwei davon.
SPÖ-ÖVP: wie bisher.
ÖVP-FPÖ-Stronach: bürgerliche Mitte-rechts-Regierung als Alternative.
SPÖ-FPÖ: wird von der SPÖ ausgeschlossen.
ÖVP-FPÖ-Neos: Die Neos wollen nicht mit der FPÖ.
ÖVP-FPÖ-Grüne: Die Grünen können nicht mit der FPÖ.
SPÖ-Grüne-Stronach-Neos: unwahrscheinliche Variante mit vier Parteien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.10.2013)

Mehr erfahren

Josef Cap
New Articles

Werner Faymanns Rechts-Verbinder

Josef Cap ist ein Chamäleon, das im politischen Betrieb mit charmantem Opportunismus zu überleben gelernt hat. Jetzt soll der SPÖ-Klubobmann Kontakt zu den Freiheitlichen herstellen.
Austrian Chancellor and leader of the Social Democratic Party Faymann and Head of the Freedom Party Strache, pose before a TV debate after first projections in the Austrian general election in Vienna
Innenpolitik

Strache: „Rot-Blau ist eine interessante Option“

Interview. Heinz-Christian Strache würde gern mit der SPÖ regieren und die ÖVP in Opposition schicken. Dass Bundespräsident Heinz Fischer ein Veto einlegen könnte, glaubt der FPÖ-Chef nicht.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.