Željka Cvijanović: „Der Staat Bosnien funktioniert nicht“

Serbian Parliament building in Belgrade
Serbian Parliament building in BelgradeREUTERS
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Die Premierministerin der Republika Srpska, Željka Cvijanović, sieht den gemeinsamen Staat mit Bosniaken und Kroaten in der Krise und will den Abzug des Hohen Repräsentanten.

Die Presse: Milorad Dodik, der Präsident der Republika Srpska und Chef Ihrer Partei, hat gesagt, der bosnische Staat sei tot. Was bedeutet das für die Zukunft Bosnien und Herzegowinas?

Željka Cvijanović: Es ist schwierig, darüber zu diskutieren, was in der Zukunft passieren wird. Aber eines ist klar: Der Staat Bosnien und Herzegowina funktioniert nicht und kann den Bedürfnissen seiner Bürger nicht gerecht werden. Es gibt zahlreiche Bespiele dafür: Es war etwa nicht möglich, ein Gesetz über die ID-Nummern der Bürger zu verabschieden. Deshalb musste die Regierung der Republika Srpska eigene Regulierungen erlassen.

Dodik hat Bosnien und Herzegowina aber auch als „Teufelsstaat“ bezeichnet. Was soll denn die Lösung der Probleme sein? Das Ende des Staates?

Wenn Präsident Dodik über Bosnien und Herzegowina spricht, sagt er nicht, dass er Schritte setzen wird, um das Land zu vernichten. Er stellt nur eine Diagnose, was passieren wird, wenn wir es nicht in der richtigen Art und Weise kurieren. Wir müssen verstehen, dass die Kroaten in Bosnien und Herzegowina unglücklich sind. Und es muss verstanden werden, dass es unabdingbar ist, dass die Republika Srpska weiter existiert. Wir in der Republika Srpska werden nicht unsere Position opfern, nur um Bosnien und Herzegowina funktionaler erscheinen zu lassen. Das wäre Fassade und würde nichts an der Substanz ändern.

International sieht man die Verantwortung für das Nichtfunktionieren Bosniens aber bei seinen Politikern – vor allem bei Dodik. Der Hohe Repräsentant der internationalen Gemeinschaft, Valentin Inzko, hat vor dem UN-Sicherheitsrat kritisiert, dass die bosnischen Politiker versagt haben.

Inzko beschreibt die wirklich chaotische und dysfunktionale Situation in der (Bosniakisch-Kroatischen) Föderation, aber dann sagt er: Was wirklich beunruhigt, sind die Vertreter der Republika Srpska. Denn ihre Statements unterminieren die Souveränität Bosnien und Herzegowinas. Das wirkt für mich lächerlich. Was wirklich geschadet hat, sind die Hohen Repräsentanten und ihre Entscheidungen. Sie haben Bosnien und Herzegowinas Souveränität demontiert.

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Was erwarten Sie dann vom Hohen Repräsentanten?

Ich erwarte von ihm gar nichts. Das OHR, das Büro des Hohen Repräsentanten, hätte schon vor langer Zeit zugesperrt werden müssen. Der richtige Zeitpunkt dafür wäre gewesen, als wir den neuen EU-Sonderrepräsentanten bekommen haben. Ich habe volles Vertrauen in die Menschen, die für diese EU-Mission arbeiten. Das OHR ist aber ein Hindernis für eine Normalisierung.

Aber der Hohe Repräsentant und sein Büro sind seit Langem hier, um das Land am Funktionieren zu halten.

Aber funktioniert das Land? Nein. Das OHR kann nicht helfen. Wenn wir diese „Beschützer“ nicht mehr haben würden, würden wir in Bosnien und Herzegowina vielleicht besser kooperieren. Jetzt gehen einige Politiker lieber zum Hohen Repräsentanten oder zu Botschaftern, um Dinge zu besprechen und nicht zu den Vertretern anderer politischer Parteien. Ohne OHR und diesen Interventionismus wäre es einfacher, in Bosnien und Herzegowina Resultate zu produzieren.

Serbiens Präsident Tomislav Nikolić hat sich für die Verbrechen entschuldigt, die von serbischer Seite in Bosnien und Herzegowina verübt wurden. Was denken Sie darüber?

Das haben schon viele Politiker vor ihm getan. Die für mich sonderbare Sache ist: Müssen wir das die ganze Zeit tun? Wie lange noch müssen sich beide Seiten entschuldigen? Wichtig ist, wie gut wir kooperieren – etwa auf dem Weg in die EU. Wenn wir uns nur entschuldigen, ohne praktische Schritte zu setzen, bedeutet das nichts für das tägliche Leben der Bürger.

Aber gerade in Bosnien beeinflussen die Fragen der Vergangenheit – die verübten Verbrechen – noch heute das tägliche Leben. Was kann getan werden für eine Versöhnung?

Ja, das stimmt. Diese Fragen sind relevant und sichtbar und können nicht ignoriert werden. Wenn wir einander respektieren, den anderen frei atmen lassen und nicht behindern, wird es einfacher sein, die Versöhnung voranzutreiben. Es gibt dabei aber noch eine längere Strecke zurückzulegen.

Presse: Wie wollen Sie angesichts der politischen Probleme in Bosnien internationale Geschäftsleute dazu bringen, in der Republika Srpska zu investieren?

Cvijanović: Wir müssen unsere Potenziale präsentieren: die Möglichkeiten bei Wasserkraft, Infrastrukturprojekten, Tourismus. Die Investoren lesen die Berichte des Hohen Repräsentanten und denken, das ist etwa sehr Wichtiges. Nein. Wichtig ist, dass die Investitionen sicher sind. Alle möglichen internationalen Institutionen schreiben immer über politische Probleme: aber diese Institutionen sind Teil unserer Probleme. Wir hatten seit dem Krieg in Bosnien und Herzegowina nie einen Prozess, an dem sich nicht Ausländer beteiligt hätten. Wenn Bosnien und Herzegowina tatsächlich ein gescheiterter Staat sein sollte, dann sind die Ausländer Teil dieses Scheiterns.

ZUR PERSON


Željka Cvijanović ist Premierministerin der Republika Srpska („Serbische Republik“), des zweiten Landesteiles von Bosnien und Herzegowina. Cvijanović gehört zur Partei des Präsidenten der Republika Srpska, Milorad Dodik, der in der Vergangenheit immer wieder mit einem Referendum über eine Abtrennung der „Serbischen Republik“ gedroht hat. Die Aufspaltung Bosnien und Herzegowinas in zwei Landesteile ist Produkt des Krieges von 1992 bis 1995 und im Dayton-Friedensabkommen festgelegt. [ Hans Hochstöger]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.10.2013)

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