Wo SPÖ und FPÖ keine Berührungsängste haben

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SPoe FPoe keine Beruehrungsaengste(c) APA/HARALD SCHNEIDER (HARALD SCHNEIDER)
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Koalitionssuche: Rot und Blau stehen sich in etlichen Fragen näher als die bisherigen rot-schwarzen Regierungspartner. Übereinstimmung herrscht vor allem im Sozialbereich.

Wien. Auch wenn in der Bundes-SPÖ der Fokus derzeit auf die Vorarbeiten für Regierungsverhandlungen mit der ÖVP gerichtet ist, die ab Mitte kommender Woche beginnen sollen: Einen Teilerfolg kann FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache nach den Stimmengewinnen seiner Partei bei der Nationalratswahl am vergangenen Sonntag bereits verbuchen. Der Abwehrmauer in der SPÖ zur FPÖ hat Risse bekommen, rote Politiker in den Ländern und Gewerkschafter treten für Gespräche mit den Freiheitlichen ein. Freilich bleibt für die SPÖ-Führung von Bundeskanzler Werner Faymann abwärts das strikte Nein zu einer Koalition mit der FPÖ weiter aufrecht.

Bei Pensionen auf einer Linie

Zumindest als verstärktes Druckmittel gegen etwaige „Erpressungen“ durch die ÖVP, wie es in der SPÖ heißt, ist Strache so manchem Politiker in der Sozialdemokratie durchaus willkommen. Rein rechnerisch hätte eine rot-blaue Koalition mit 52 SPÖ-Abgeordneten und 40 FPÖ-Mandataren im Hohen Haus auf ein Mandat genau die Mehrheit. Vorerst berät SPÖ-Klubchef Josef Cap auf Parlamentsebene auch mit der FPÖ über Gemeinsamkeiten. Und solche sind in manchen Bereichen sogar stärker ausgeprägt als mit dem jetzigen Regierungspartner ÖVP.

Vor allem im Sozialbereich sind derartige Berührungspunkte viel häufiger zu finden als zwischen den beiden bisherigen Koalitionspartnern SPÖ und ÖVP. Daher ist es auch kein Wunder, dass zuletzt allen voran Gewerkschafter vom Salzburger AK-Präsidenten Siegfried Pichler bis zum steirischen ÖGB-Chef Horst Schachner auch mit der FPÖ verhandeln wollten – um sich jedenfalls der ÖVP nicht völlig auszuliefern.

Bei den Pensionen liegen Rot und Blau in weiten Bereichen grundsätzlich ganz auf einer Linie. Beide Parteien haben sich vor der Wahl eindeutig gegen eine Anhebung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters von 65 Jahren für Männer und von 60 Jahren für Frauen (im ASVG-System, Bäuerinnen, Gewerbetreibende) positioniert.

Bis zu acht Milliarden Euro Mehrkosten

Übereinstimmung herrscht außerdem darin, dass niedrige Pensionen künftig stärker angehoben werden müssten. Die SPÖ hat dabei in erster Linie eine soziale Staffelung bei Pensionserhöhungen im Auge. Die FPÖ, die sich bisher als Oppositionspartei über zusätzliche Kosten weniger den Kopf zerbrechen musste, geht da allerdings viel weiter. Sie möchte die Mindestpensionen, die derzeit für Alleinstehende bei 837 Euro brutto im Monat liegen, gleich auf 1200 Euro anheben. Das liegt sogar über der derzeitigen durchschnittlichen Monatspension (Alterspension und Invaliditätspension) in Österreich von 1113 Euro brutto. Die Umsetzung dürfte allerdings Utopie bleiben. Das Sozialministerium rechnet bei der Erfüllung des FPÖ-Wunsches mit rund 8,2 Milliarden Euro Mehrkosten.

Bei der Forderung nach einem Mindestlohn hat sich ein rot-blauer Wettlauf entwickelt. Die SPÖ hat sich auf 1500Mindestlohn festgelegt, die FPÖ möchte sogar 1600 Euro als Mindestlohn.

Bei der Zuwanderung von ausländischen Arbeitskräften sind die Positionen weniger weit auseinander, als es auf den ersten Blick scheinen mag. Die SPÖ ist getrieben von Gewerkschaftsbund und Arbeiterkammer dafür eingetreten, die Übergangsfristen in der EU für eine Öffnung des Arbeitsmarkts für Beschäftigte in den neuen EU-Staaten in Osteuropa voll auszunützen. Die FPÖ ist gegen eine weitere Öffnung des Arbeitsmarkts. Der Hintergrund für diesen Gleichschritt ist klar: Gerade bei Maßnahmen gegen „Billigarbeitskräfte“ kämpfen Rot und Blau bei den Arbeitnehmern besonders verbissen weitgehend in derselben Wählerschaft.

Höhere Belastung von Millionären

Bei Steuern und Abgaben besteht zwischen SPÖ und FPÖ zumindest bei der höheren Belastung von Reichen Einigkeit, während die ÖVP dies strikt ablehnt. Die Strache-FPÖ schlägt eine „Solidarabgabe“ für Millionäre vor und die Streichung von „Privilegien für Stiftungen“. Bei der SPÖ war die „Millionärssteuer“ für Vermögen und Erbschaften ab einer Million Euro einer der Wahlkampfschlager bei der Nationalratswahl.

Übereinstimmung herrscht auch, wenn es darum geht, die Banken für die Bewältigung der Finanzkrise und staatliche Milliardenhilfen für die Banken (etwa Hypo Alpe Adria) zur Kasse zu bitten. Die SPÖ drängt auf eine Verlängerung der erhöhten Bankenabgabe, die FPÖ möchte durch steuerliche Änderungen höhere Einnahmen von den Banken.

Bei EU-Politik und Euro scheiden sich hingegen die Geister der Spitzen von SPÖ und FPÖ – anders als vielfach in der Wählerschaft. Bundeskanzler Faymann steht zum Euro-Rettungsschirm. Die FPÖ stößt hingegen mit ihrem Drängen auf einen „Ausstieg“ Österreichs aus den Milliarden-Haftungen auch bei SPÖ-Sympathisanten auf Gehör.

Gräben bei Familien und Frauen

Es gibt auch tiefe Gräben zwischen SPÖ und FPÖ. Die Freiheitlichen sind wie die ÖVP gegen die SPÖ-Gesamtschulpläne. Welten trennen sie gesellschaftspolitisch in der Familien- und Frauenpolitik. Die SPÖ setzt auf die finanzielle und wirtschaftliche Unabhängigkeit der Frauen, von denen möglichst viele auch nach der Geburt von Kindern einem Beruf nachgehen sollen. Sie lässt nicht am System der Individualbesteuerung rütteln, die FPÖ peilt ein Familiensteuermodell an und möchte auch ein „Elterngehalt“.

AUF EINEN BLICK

Rot-Blau. Nach der Auszählung der Wahlkarten haben SPÖ (52) und FPÖ (40) mit zusammen 92 Mandaten zumindest rein rechnerisch eine hauchdünne Mehrheit im Nationalrat. Die SPÖ-Parteiführung mit Bundeskanzler Werner Faymann bleibt aber bei ihrer Absage an eine Koalition mit der FPÖ, während SPÖ- und Gewerkschaftsfunktionäre in den Ländern zumindest auch Gespräche mit den Freiheitlichen über eine etwaige Regierungsbildung verlangen. Vorerst wird aber nur SPÖ-Klubobmann Josef Cap auf Parlamentsebene auch mit der FPÖ über Gemeinsamkeiten reden. Nach 1945 gab es von 1983 bis 1986 bereits eine rot-blaue Koalition. 1970 wurde die SPÖ-Minderheitsregierung Kreiskys von der FPÖ vorerst geduldet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.10.2013)

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