Flüchtlingsdrama: Ermittlungen gegen Überlebende

Flüchtlingsdrama: Ermittlungen gegen Überlebende
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Ermittlungen wegen illegaler Einwanderung lassen sich wegen der geltenden Gesetze nicht verhindern, sagt der Staatsanwalt. Der Bürgermeister von Rom setzt indes ein "erstes Signal gegen Gleichgültigkeit und Resignation".

Gegen die 155 Überlebenden des Flüchtlingsdramas vor der Insel Lampedusa soll wegen illegaler Einwanderung ermittelt werden. Sobald sie identifiziert seien, geschehe dies zwangsläufig, berichtete die italienische Nachrichtenagentur Ansa unter Berufung auf die Staatsanwaltschaft. Dies lasse sich wegen der geltenden Gesetze nicht verhindern, bisher seien aber noch keine Ermittlungen aufgenommen worden.

Den Afrikanern droht maximal eine Geldstrafe von 5000 Euro. Ihr Boot war am Donnerstag vor der Insel Lampedusa in Flammen aufgegangen und gekentert. Mehr als 100 Menschen starben bei der Tragödie, Hunderte weitere gelten noch als vermisst.

Mutmaßlicher Schlepper in Haft

Unter den den Überlebenden wird auch nach den Organisatoren der Überfahrt gesucht. Ein erster Verdächtiger - ein 35 Jahre alter Tunesier - wurde bereits festgenommen. Ihm wird mehrfache fahrlässige Tötung vorgeworfen.

Die ermittelnden Staatsanwälte der sizilianischen Stadt Agrigent wollen mit der Befragung von Überlebenden feststellen, ob sich unter ihnen Schlepper befinden, die die Überfahrt von Libyen nach Lampedusa organisiert hatten. Der verdächtige Tunesier beteuert seine Schuldlosigkeit.

Überlebende sollen nach Rom gebracht werden

Unterdessen berichtete der Bürgermeister von Rom am Samstag, dass die Überlebenden in der Hauptstadt untergebracht werden sollen. Ignazio Marino sagte bei einer Gedenkwache zu Ehren der Toten des Unglücks vor dem Rathaus: "Die 155 Überlebenden werden in Rom aufgenommen. Das ist ein erstes Signal der Revolte gegen Gleichgültigkeit und Resignation", betonte der Bürgermeister. Die Überlebenden sollen in Strukturen der Gemeinden für Flüchtlinge untergebracht werden.

Inzwischen konnte die Suchaktion nach weiteren Leichen im Wrack des vor Lampedusa gekenterten Flüchtlingsbootes wegen der schlechten Wetterlage nicht fortgesetzt werden. Starker Schirokkowind machte den Tauchermannschaften zu schaffen. Seit Donnerstagabend wurden keine Leichen mehr geborgen. Bisher wurden 111 Tote gezählt, doch bis zu hundert Leichen könnten sich noch im Wrack befinden. Befürchtet wird, dass die Zahl der Toten sogar auf 300 steigen könnte.

Am Freitagabend war es auf Lampedusa zu einer bewegenden Messe und einem Fackelzug mit einigen tausend Menschen zu Ehren der Toten gekommen. Fischer Lampedusas fuhren am Samstagvormittag mit ihren Boot zum Ort, wo das Wrack gesunken ist, und warfen Blumenkränze ins Meer.

Streit ums Einwanderungsgesetz

In Italien tobt nun ein heftiger Streit um das italienische Einwanderungsgesetz. Die Präsidentin der Abgeordnetenkammer, Laura Boldrini, meinte, man müsse Italiens gesamte Migrationspolitik überdenken und verstärkt auf Solidarität und Integration setzen. Die ausländerfeindliche Oppositionspartei Lega Nord stemmt sich gegen eine Revision des geltenden Migrationsgesetzes, das illegale Einwanderung mit Haft bestraft. Das Gesetz war vom Gründer der Lega Nord, Umberto Bossi, mit dem Ex-Präsidenten der Abgeordnetenkammer, Gianfranco Fini, entworfen worden.

(APA/dpa)

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