Erkundungen der blauen steirischen Seele

Max Höfer
Max Höfer(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Frustration bei der Bevölkerung in kleineren Gemeinden über Rot und Schwarz und eine "lustlose" SPÖ: Das ist in der Steiermark der reiche Nährboden für Erfolge der FPÖ.

Es fällt auf, wenn in Gschnaidt ein Auto unterwegs ist, das man nicht kennt. Viel ist hier in der 350-Seelen-Gemeinde, 25Kilometer nordwestlich von Graz, nämlich nicht los. Nur selten verirren sich Menschen hierher, die nicht ortskundig sind. Warum sollten sie auch? Zwischen Bauernhöfen, Kuhherden und einigen Schafen ist es zwar idyllisch, aber wenn man in diesem Seitental des Murtales wohnt, gibt es nicht wirklich etwas zu tun.

„Wen suchen Sie?“, ruft daher eine ältere Dame aus ihrem Fenster heraus, als sie einen Wagen in der Nähe ihres Hauses stehen sieht. Den Bürgermeister, den finde man in seinem Gasthof. Nicht weit von hier, nur ein paar hundert Meter entfernt.

Dort ist er auch, Max Höfer. Der parteilose Bürgermeister jener Gemeinde, in der die FPÖ bei der Nationalratswahl vergangenen Sonntag den höchsten Stimmenzuwachs in ganz Österreich einheimsen konnte. 38,5Prozentpunkte legte sie zu und liegt nun bei 48,4 Prozent. Vor fünf Jahren hatten die Regierungsparteien noch fast 70 Prozent der Stimmen. Jetzt sieht das Farbenspiel ganz anders aus.

Verwundert? Bei dieser Frage muss Max Höfer auflachen. Aber nur kurz. „Nein, verwundert bin ich überhaupt nicht“, sagt er und schüttelt den Kopf. Dann wird seine Miene wieder ernst: „Die kann man doch nicht mehr wählen.“ Die, das sind zwar SPÖ und ÖVP, aber nicht ihre Parteichefs Werner Faymann und Michael Spindelegger, sondern vielmehr der steirische Landeshauptmann Franz Voves und sein Vize Hermann Schützenhöfer. Denn ihre „Reformpartnerschaft“ wurde zwar von den Medien gelobt, doch in der Bevölkerung kam sie nicht überall so gut an.


Mächtige Oppositionspartei. Gschnaidt ist dafür das beste Beispiel. Seit acht Jahren ist Höfer Bürgermeister. Parteibuch hat er keines, kandidiert hat er für seine Bürgerliste. Auf Bundesebene bekam aber immer die SPÖ seine Stimme. „Diesmal aber nicht. Ich habe FPÖ gewählt“, sagt er. „Aber nicht, weil die Blauen ein so tolles Programm haben.“ Sondern aus Frust. Und weil die FPÖ die einzige Oppositionspartei sei, die groß genug ist, um etwas zu ändern.

Um das zu verstehen, muss man einen Zeitsprung machen. Gschnaidt im Jahr 2008, als Rot und Schwarz noch die Mehrheit hatten: Im Ort gab es eine Volksschule. Eine Ganztagsschule, wie Höfer präzisiert. „Damit die Eltern arbeiten gehen können und am Abend, wenn sie nach Hause kommen, die Hausaufgaben schon erledigt sind.“ Auch Spitäler hätte es in der Nähe gegeben, ein Lungenkrankenhaus, eine Geburtenstation.


Keine Vorteile? Heute, da die FPÖ beinahe die Absolute geschafft hat, wurde die Schule im Ort geschlossen. Zur nächsten Geburtenstation müsse man mindestens eine Stunde mit dem Auto fahren. Der offizielle Grund: Einsparungen, Zusammenlegungen, Effizienzsteigerung. Kurz: Reformpartnerschaft. Von den Vorteilen sei allerdings nichts zu spüren, meint Höfer.

Und auch ein anderes Projekt des Landeshauptmanns liegt Höfer im Magen: die Gemeindezusammenlegungen. Hier ginge es lediglich darum, rote und schwarze Bürgermeister zufriedenzustellen. Seit Donnerstag ist auch Gschnaidt zusammen mit Gratwein, Judendorf-Straßengel und Eisbach zur Marktgemeinde Gratwein-Straßengel verschmolzen. Vorteile sieht er keine. Was sich ändern werde? „Weniger Selbstbestimmung“, meint Höfer. Chef soll nämlich der Bürgermeister von Judendorf werden.

In den kleineren Gemeinden ist man also verärgert. Das allein kann allerdings nicht erklären, wie SPÖ und ÖVP in der Steiermark zusammen zehn Prozentpunkte verlieren konnten und nun bei 23,83 Prozent (Rot) und 20,94 Prozent (Schwarz) liegen – und die FPÖ satte 24 Prozent einheimsen konnte.


SPÖ fehlt sichtbares Anliegen. „Das mit der Gemeindefusion ist ein Funktionärsproblem“, meint Karl Rudischer, Bürgermeister von Mürzzuschlag und SPÖ-Mitglied. Von knapp 50 Prozent der Stimmen sackte seine Partei auf knapp 41 Prozent ab. „Dass so viele die FPÖ gewählt haben, da war ich wirklich platt“, muss er zugeben. Verstehen würde er es nicht. Aber er startet einige Erklärungsversuche. „Junge Menschen sind nicht mehr parteipolitisch gebunden, den typischen SPÖ-Wähler gibt es nicht mehr“, meint er.

Die Freiheitlichen könnten begeistern, die Jugend ansprechen. „Die SPÖ hat kein sichtbares Anliegen. Warum sollten 16- bis 25-Jährige die Partei wählen? Ich weiß es selbst nicht“, sagt Rudischer. Die SPÖ sei grundsätzlich auf Trab zu bringen.

Aber der Fehler liege nicht nur beim Bund, gibt Rudischer zu: „Unsere SPÖ war auch ein bisschen lustlos.“ Recht viel Wahlkampf hätte man auf lokaler Ebene nicht betrieben. „Wir haben ein Gemeindefrühstück zubereitet, und da war man auch schon froh, als es vorbei war.“ Die FPÖ sei hingegen mit der Jugend feiern gewesen. Einen anderen Vorteil hätte sie auch: Sie hätte nicht mitregiert – und von daher auch nichts zu verlieren. Auf sein lokales Ergebnis bei der nächsten Wahl 2015 werde sich der Frust jedenfalls nicht auswirken, meint er. „Hier wählt man Köpfe, keine Partei.“ Er werde mit Sicherheit Stimmen dazugewinnen.

Draußen vor seinem Büro will von den Passanten jedenfalls niemand die FPÖ gewählt haben. Aber sie liefern einen neuen Grund, warum die SPÖ Stimmen verloren hat – den Pflegeregress. Angehörige von Pflegebedürftigen werden nur noch in der Steiermark zur Kasse gebeten. „Auf die, die wirklich Hilfe brauchen, schaut man nicht“, meint eine Frau. Und das sei doch genau das, wofür eigentlich die SPÖ immer gestanden sei.

(c) Die Presse / GK

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.10.2013)

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