Drogen, Waffen und Killer per Mausklick

Ross William Ulbricht
Ross William Ulbricht(c) Reuters (STRINGER)
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Diese Woche verhaftete das US-amerikanische FBI einen der schillerndsten Wirtschaftskriminellen der Welt. Der 29-jährige Ross William Ulbricht lieferte per Mausklick alles, was das Verbrecherherz begehrt.

In seinem Profil auf der Onlineplattform LinkedIn präsentierte sich Ross William Ulbricht als ganz normaler Geschäftsmann: als Investmentberater und Unternehmer, wie es sie in und um San Francisco zuhauf gibt. Dabei war der 29-Jährige alles andere als das. Ulbricht ist der mutmaßliche Mastermind hinter dem Internet-Marktplatz Silk Road (Seidenstraße), auch bekannt als „Ebay für Drogen“ oder „Amazon für Dealer“. Per Mausklick gab es dort alles zu bestellen, was das Verbrecherherz begehrt - von Heroin und Ecstasy über gefälschte Pässe bis hin zu Waffen. Bis zum vergangenen Dienstag: Da wurde Ulbricht verhaftet.

Monatelang hatten die Beamten versteckt ermittelt, Drogen bestellt, sich sogar als Auftragskiller ausgegeben, bis sie Ulbricht am Dienstag in der Science-Fiction-Abteilung einer Filiale der öffentlichen Bibliothek von San Francisco das Handwerk legten. Laut FBI war Silk Road der größte anonyme Online-Schwarzmarkt für Drogen im Internet. Die Seite zählte im Juli eine Million Nutzer.

Ulbricht wird Geldwäsche, Drogenhandel und Hacking vorgeworfen. Auf der Seite sollen mehr als 13.000Anzeigen für illegale Substanzen geschaltet gewesen sein. Den Ermittlern zufolge habe man auch Schusswaffen und Munition kaufen können – und sogar Auftragskiller anheuern. Ein Service, das der 29-jährige ehemalige Physikstudent aus Texas auch selbst genutzt haben soll. Ulbricht soll 80.000 Dollar bezahlt haben, um einen ehemaligen Mitarbeiter umbringen zu lassen, der versucht habe, ihn zu bestehlen. Statt an einen Killer geriet er jedoch an einen Undercover-Ermittler, wie die „L.A. Times“ berichtet. Ulbricht verlangte Beweise für den Mord, die Ermittler schickten ihm inszenierte Fotos.

„Es nervt mich, dass ich ihn töten musste“, soll Ulbricht geantwortet haben. „Aber was geschehen ist, ist geschehen.“ Kurz darauf soll er einen weiteren Killer damit beauftragt haben, einen Nutzer aus dem Weg zu räumen, der ihn habe erpressen wollen. Laut Polizei gebe es keine Beweise, dass ein Mord stattgefunden hat.

Auf die Seite konnte man nur über das anonyme Tor-Netzwerk zugreifen, eine Art verschlüsseltes Internet im Internet. Bezahlt wurde mit der virtuellen Währung Bitcoin. So konnte Silk Road zwei Jahre lang im Verborgenen betrieben werden. Das FBI beschlagnahmte 26.000 Bitcoins. Das entspricht etwa 3,6 Millionen US-Dollar (2,7 Millionen Euro). Kritikern zufolge würden durch virtuelle Währungen wie Bitcoin Verbrechen im Internet Tür und Tor geöffnet. Der Bitcoin-Kurs fiel nach Bekanntwerden von Ulbrichts Verhaftung deutlich.

Der Lebenslauf des Texaners, der sich im Internet „Dread Pirate Roberts“ nannte, liest sich bis zu diesem Punkt wenig spektakulär: Nach einem Physikstudium in Dallas, Texas, ging er als Forschungsassistent an die Universität von Pennsylvania. Er sei außerordentlich klug gewesen gewesen und seines Wissens niemals in Konflikt mit dem Gesetz gekommen, zitieren US-Medien Ulbrichts Halbbruder. Während seiner Studienzeit soll Ulbricht politisch aktiv gewesen sein und den republikanischen Präsidentschaftskandidaten Ron Paul unterstützt haben.

„Welt ohne Gesetze“. Nach seinem Studium in Pennsylvania vermerkte Ulbricht in seinem LinkedIn-Profil, dass sich „seine Ziele geändert“ hätten. Er wolle sich künftig weniger mit Physik beschäftigen und dafür mehr mit ökonomischer Theorie. Er wolle eine wirtschaftliche Simulation schaffen, die den Menschen einen Geschmack darauf gibt, „wie es wohl wäre, in einer Welt ohne Gesetze zu leben“. Wenig später ging Silk Road an den Start.

Ulbricht sei „die moderne, elektronische Version von Walter White aus ,Breaking Bad‘“, zitiert die „L.A. Times“ den Computerwissenschaftler Michael Taylor von der Universität von San Diego, der sich schon länger mit dem Fall beschäftigt. „Die Menschen identifizieren sich mit diesem Helden, weil er intelligent und erfinderisch ist. Gleichzeitig verachten sie seine Betrügerei“, so der Forscher. Silk Road zählte zuletzt 60.000 Zugriffe am Tag. Ein Drittel der Nutzer lebte in den USA.

Wie Ulbricht entlarvt wurde, ist nicht bekannt – das FBI veröffentlichte keine Details zur Fahndung. Nur so viel: „Er hat einen einfachen Fehler gemacht, so konnten wir ihn enttarnen.“ In der Anzeige heißt es, der Online-Drogenbasar habe seit seiner Gründung 2011 rund 1,2 Milliarden Dollar (887 Millionen Euro) umgesetzt. Ulbricht soll in dieser Zeit 80 Millionen Dollar mit der Seite verdient haben, indem er für jedes Geschäft eine Gebühr verlangte. Mehr als 100 Beamte ermittelten seit November, bestellten Drogen, die sie von Dealern aus der ganzen Welt per Post zugeschickt bekamen.

Während sich die Ermittler über ihren Fahndungserfolg zufrieden zeigten, hielten Ulbrichts Kunden mit ihrer Enttäuschung nicht hinter dem Berg. Im Juli gab Ulbricht dem US-Magazin „Forbes“ ein anonymes Interview. Darin sagte er unter anderem: „Ich werde von den höchsten Ebenen gejagt.“ Möglicherweise sei das FBI Ulbricht durch das Interview auf die Schliche gekommen, vermutet ein verärgerter Nutzer von Silk Road: „Als er dieses verdammte Interview gegeben hat, dachte ich mir schon, dass es so kommen würde.“

Ross William Ulbricht

Die Verhaftung des 29-Jährigen glückte am vergangenen Dienstag.

Der Lebenslauf des Texaners ist – von Silk Road abgesehen – reichlich unspektakulär: Er studierte in Pennsylvania und unterstützte den republikanischen Präsidentschaftskandidaten Ron Paul.

Das Geschäftsmodell von Silk Road: Drogen, Waffen und Killer per Internet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.10.2013)

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