Janukowitsch unter Zugzwang für Begnadigung

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Nach einem Gnadengesuch für die inhaftierte Ex-Premierministerin Julia Timoschenko könnte ihre Freilassung bevorstehen.

Warschau/Kiew. Nicht nur im Moskauer Olympiastadion flogen am Wochenende die Fäuste. Während der ukrainische Schwergewichtsboxer Wladimir Klitschko den russischen Herausforderer Alexander Povetkin in zwölf Runden klar niederrang, kämpften in Kiew Politiker um das Los von Julia Timoschenko.

Die Opposition sei bereit, Gesetzesänderungen zu unterstützen, die Timoschenko eine medizinische Behandlung im Ausland ermöglichen würden, sagte Arsenij Jatseniuk in der Talkshow „Schuster live“. Der Anführer von Timoschenkos Vaterlandspartei forderte die regierende Partei der Regionen (PdR) von Staatspräsident Viktor Janukowitsch auf, dem Parlament endlich entsprechende Vorschläge zu unterbreiten. Vorausgegangen war eine wüste Anklage Wladimir Olijnyks (PdR) gegen die EU, die von der Ukraine für Timoschenko Sondergesetze verlangt hatte.

Der samstägliche Schlagabtausch erfolgte, wenige Stunden nachdem die beiden Sondergesandten des Europaparlaments, der Ire Pat Cox und der polnische Ex-Präsident Aleksander Kwaśniewski, bei Janukowitsch ein Gnadengesuch für die ukrainische Oppositionsführerin Julia Timoschenko eingereicht hatten. Sie übergaben ihm in Kiew auch ein Schreiben Timoschenkos mit der Bitte um eine Ausreiseerlaubnis für eine Operation nach Deutschland.

„Ernsthafte Lösungssuche“

Die 52-jährige Ex-Regierungschefin sitzt seit Ende 2011 in der Frauenstrafkolonie von Charkiw eine siebenjährige Haftstrafe wegen angeblichen Amtsmissbrauchs ab. Seit Mai 2012 liegt sie mit einem schweren Bandscheibenleiden im Krankenbett. In ihrer Spitalszelle im Charkiwer Eisenbahnerkrankenhaus durfte sie immer wieder von einem deutschen Ärzteteam besucht werden.

Timoschenkos Verurteilung wurde in Brüssel und Washington als „politisch motiviert“ kritisiert. Janukowitsch wolle sich seiner gefährlichsten Herausforderin bei den Präsidentenwahlen von 2015 entledigen, heißt es. Timoschenkos Freilassung indes gilt als Hauptbedingung der EU für die im November geplante Unterzeichnung des Assoziierungs- und Freihandelsabkommens beim Gipfel der EU-Ostpartnerschaft in Vilnius.

„Die ernsthafte Lösungssuche hat am Freitag endlich begonnen“, so Juri Lutsenko in der unabhängigen Internetzeitung „Ukrainska Prawda“. Der im April nach einem ähnlichen Begnadigungsgesuch innerhalb weniger Tage aus der Haft entlassene Ex-Innenminister Timoschenkos sieht vor allem in der freitäglichen Entmachtung des „Timoschenko-Jägers“ Renat Kusmin einen Hinweis auf ein Umdenken im Lager Janukowitschs. Kusmin hatte als Vizestaatsanwalt die Strafverfahren gegen Timoschenko geleitet. Am Freitag wurde er von Janukowitsch überraschend in den nationalen Notstands- und Verteidigungsausschuss versetzt.

Im Berliner Charité-Krankenhaus wird laut „Deutscher Welle“ ein Krankenzimmer für Timoschenko bereitgestellt. Ihre Ausreise könnte sich allerdings noch etwas verzögern. So soll sich Janukowitschs Begnadigungskommission erst Mitte Oktober wieder treffen. Im Gespräch ist derzeit aber auch eine schnellere Lösung: eine medizinisch bedingte Haftpause. Timoschenko selbst verspricht eine Wiederkehr in die Politik. „Ich werde niemals und nirgendwo um politisches Asyl ersuchen“, schrieb sie ihren Anhängern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.10.2013)

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