Druck steigt: Deutschland soll mehr Flüchtlinge aufnehmen

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Das "Welcome Center" in Lampedusa. Die EU will seine Flüchtlingspolitik auf neue Beine stellen.(c) EPA
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Die Regierung erklärt, bereits eine angemessen große Zahl an Flüchtlingen aufgenommen zu haben. In Lampedusa bergen die Taucher immer mehr Leichen.

Nach der Flüchtlingstragödie vor Lampedusa gerät Deutschland unter steigenden Druck, zusätzliche Schutzsuchende aufzunehmen und andere EU-Staaten so zu entlasten. Flüchtlinge müssten gerechter auf die Mitgliedsländer verteilt werden, sagte EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) der "Bild"-Zeitung (Montagsausgabe). "Das heißt auch, dass Deutschland zusätzliche Menschen aufnehmen muss." Während die Bundesregierung zumindest eine Überprüfung des bisherigen Asylsystems in Aussicht stellte, bargen Taucher weitere Opfer des Schiffsunglücks.

Schulz bezeichnete es als Schande, dass die EU Italien mit der Aufnahme der Flüchtlinge aus Afrika so lange allein gelassen habe. Die konservative EVP im Europaparlament verlangte mehr Einsatz von Deutschland: "Wenn der Bundespräsident zu Recht mehr europäische Solidarität einfordert, bedeutet das, dass Deutschland Flüchtlinge aufnehmen muss", sagte Vize-Fraktionschef Manfred Weber (CSU) der "Welt".

"Deutschland tut, was seiner Größe entspricht"

Auf Forderungen zur Aufnahme zusätzlicher Flüchtlinge entgegnete Seibert, dass Deutschland schon heute eine große Zahl von Anträgen bearbeite und "durchaus das tut, was seiner Größe und seiner Bevölkerungszahl in Europa entspricht". Das Innenministerium wies darauf hin, dass Italien vergangenes Jahr 15.000 Asylbewerber aufgenommen habe, Deutschland hingegen 65.000.

Die für Grundrechte zuständige EU-Justizkommissarin Viviane Reding hat für Dienstag eine erste Diskussion über Gesetzesänderungen in der EU angekündigt. Die EU-Innenminister würden am morgigen Dienstag beraten, "welches EU-Recht geändert werden muss und welche Solidarsysteme aufgebaut werden müssen, damit Menschen, die nach Europa kommen, auch laut Gesetz ordentlich behandelt werden", sagte Reding am Montag beim EU-Justizrat in Luxemburg. Großbritannien, Deutschland, die Niederlande und Österreich wünschen sich unterdessen auch eine Möglichkeit, EU-Ausländer auszuweisen.

Die EU-Kommissarin sagte in einem gemeinsamen Auftritt mit Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP): "Solche Elemente können allerdings ein Schiff, das untergeht nicht vor dem Untergehen bewahren." Speziell zur italienischen Rechtslage, wonach den Überlebenden der Flüchtlingstragödie von Lampedusa Geldstrafen drohen, sagte Reding: "Mir steht es nicht an, nationales Recht zu kritisieren." Die Debatte der EU-Innenminister am  Dienstag konzentriere sich auf den Aspekt der Freizügigkeit und auf Schlussfolgerungen aus der Asyl-Diskussion in der EU, sagte Reding.

Karl glaubt an Lösungskompetenz der Innenminister

Beatrix Karl bezeichnete die Ereignisse von Lampedusa als "eine wahnsinnige menschliche Tragödie. Da kann man nicht zur Tagesordnung übergehen." Sie sei froh, dass sich nunmehr die EU-Innenminister damit befassen und auch überzeugt, dass diese zu guten Lösungen kommen werden. "Die Innenminister sind am Zug. Ich vertraue den Innenministern, dass sie gute Lösungen finden werden."

Europa wolle dafür Sorgen, dass es in den Ursprungsländern von Migration demokratische Strukturen und lebensfähige Systeme gebe. "Europa ist der größte Entwicklungshilfe-Geber weltweit", betonte Reding.

213 Leichen gefunden

Taucher haben am Montag vor Lampedusa die Leichen von insgesamt 19 Personen gefunden. Damit ist die Zahl der nach der Flüchtlingstragödie vom Donnerstag geborgenen Toten nach Behördenangaben auf 213 gestiegen. Noch immer werden Dutzende Menschen vermisst. Nach Angaben von Überlebenden befanden sich 518 Menschen an Bord des gekenterten Bootes. Wegen des schlechten Wetters musste die Suchaktion am Montagnachmittag unterbrochen werden.

Auf Lampedusa traf am Montag der polnische Kurien-Erzbischof Konrad Krajewski ein. Er soll sich im Auftrag von Papst Franziskus ein Bild von der Situation machen. Krajewski segnete in Lampedusa die Leichen mehrerer Opfer der Schiffskatastrophe. Der Papst hatte im Juli Lampedusa besucht, um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die Flüchtlingsströme aus Nordafrika zu lenken.

(APA/dpa)

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