Machtkampf: EU steuert auf Krach mit Moskau zu

Symbolbild
Symbolbild(c) www.BilderBox.com (www.BilderBox.com)
  • Drucken

Greenpeace, Gazprom, Ostpartnerschaft - Europa und Russland streiten immer öfter und immer heftiger. Größter Zankapfel ist der EU-Pakt mit der Ukraine.

Brüssel. Gemeinhin gibt es zwei Verhaltensstrategien in einer zerrütteten Beziehung: entweder man geht einander aus dem Weg oder wagt die Konfrontation – wobei erstere Variante für gewöhnlich nur eine aufschiebende Wirkung hat und früher oder später in einem umso heftigeren Krach kulminiert. Vieles deutet darauf hin, dass in der Beziehung zwischen Russland und der Europäischen Union ebendieser Augenblick der Wahrheit naht. Denn die Spannungen zwischen Moskau und Brüssel nehmen seit Wochen ebenso zu wie die Zahl der Konfliktfälle.

Die jüngste Front eröffnete der russische Sicherheitsapparat nördlich des Polarkreises in Murmansk, wo 30 inhaftierten Greenpeace-Aktivisten aus 18 Ländern der Prozess wegen „bandenmäßiger Piraterie“ gemacht werden soll – die Umweltschützer hatten es gewagt, ein Transparent auf einer russischen Bohrinsel im Arktischen Meer anbringen zu wollen. Vergangenen Freitag kündigte die niederländische Regierung an, Moskau vor einem UN-Schiedsgericht anzuklagen, denn der Greenpeace-Eisbrecher hatte die Flagge der Niederlande gehisst, als er von russischen Kommandos gekapert wurde.

Um Bohrinseln geht es auch im Streit zwischen EU-Energiekommissar Günther Oettinger und Gazprom. Die Preisgestaltung des russischen Staatskonzerns ist Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens der Brüsseler Behörde, das laut Oettinger im Frühjahr 2014 abgeschlossen wird. Der Vorwurf: Gazprom soll seine marktbeherrschende Position missbraucht haben, um ehemaligen Satelliten der Sowjetunion in Osteuropa höhere Gaspreise zu verrechnen. In Litauen, das die EU-Ermittlungen beantragt hat und dessen Energieversorgung zur Gänze von Russland abhängig ist, liegt der Preis 40Prozent über dem EU-Schnitt. Problematisch für die Russen ist auch das dritte Energiepaket der EU aus dem Jahr 2009, das derzeit in der organisatorischen Pipeline steckt – es sieht unter anderem vor, dass Gaslieferung und -distribution „entbündelt“ werden – Gazprom als Lieferant dürfte dann längerfristig keine Leitungen in der EU besitzen. Im Gaspoker haben die Europäer derzeit gute Karten, denn aufgrund der Schiefergas-Schwemme in Nordamerika sind die Marktpreise in den Keller gerasselt – und Gazprom musste seinen (west-)europäischen Kunden Rabatte gewähren.

Doch zurück zu Litauen, das momentan den EU-Vorsitz innehat: Die vergangenen Mittwoch ausgesprochene Drohung des litauischen Außenministers Linas Linkevicius, die Verkehrswege zur russischen Exklave Kaliningrad zu sperren, hat einen anderen Hintergrund als Erdgas: Es geht um den derzeit wohl größten Zankapfel – die russischen Versuche, ehemalige Teilrepubliken der UdSSR (und jetzige Ostpartner der EU) in eine Zollunion unter der Vorherrschaft Moskaus zu zwingen – und damit die für November anvisierte Unterzeichnung eines Assoziierungsabkommens mit der EU zu verhindern. Während Armenien dem Druck Moskaus nachgab und den Ausstieg aus der Ostpartnerschaft ankündigte, blieben Moldawien und die Ukraine (wegen seiner Größe und strategischer Bedeutung das Herzstück des Abkommens) bis zuletzt standhaft – obwohl russische Vertreter für den Fall des Falles mit wirtschaftlichen Konsequenzen bis hin zum Stopp der Gaslieferungen drohen. Eine Botschaft erhielt auch Vilnius: Seit Ende August müssen Lkw an der Grenze zu Russland tagelang warten – die Aktion scharf des russischen Zolls gilt nur für litauische Laster.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.10.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

NETHERLANDS RUSSIA GREENPEACE SOLIDARITY ACTION
Außenpolitik

Anwalt: Moskau behandelt Greenpeace-Aktivisten "unmenschlich"

30 Greenpeace-Aktivisten wurden nach einem Protest gegen Ölbohrungen in der Arktis festgenommenen. Der Anwalt beschwert sich über die Haftbedingungen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.