An Deutschlands Seite mitzulaufen ist noch keine Außenpolitik

Gerade ein Kleinstaat wie Österreich bräuchte einen Außenminister und einen Kanzler, die im Kreis der Großen imstande wären, mit Ideen zu brillieren.

Vielleicht weiß Michael Spindelegger selbst noch nicht so ganz genau, ob er in der nächsten Regierung das Finanzministerium übernehmen oder doch Außenminister bleiben soll. Ein bisschen Spielraum muss sich der ÖVP-Chef ohnehin notgedrungen lassen, wenn er alle Bünde und Länderorganisationen seiner Partei mit Spitzenposten zufriedenstellen will. Und da kann der Fall eintreten, dass sich Spindelegger am Ende dort aufstellt, wo er jetzt schon sitzt – im ersten Stock am Minoritenplatz 8. Allerdings: Wenn Spindelegger das hochkomplexe innerparteiliche Posten-Sudoku löst, qualifiziert ihn das fast schon fürs Finanzministerium.

Er hat noch Zeit, darüber nachzudenken; die Koalitionsverhandlungen mit der SPÖ beginnen ja erst. Zeit genug hätte er auch gehabt, Gedanken zur österreichischen Außenpolitik zu entwickeln und umzusetzen. Doch da ist ihm leider nicht viel eingefallen. Der Vizekanzler spulte seinen (Neben-)Job ordentlich ab und ließ sich gut führen. Eigenständige Akzente setzte er kaum. Seine Amtsführung war freundlich, aber uninspiriert. Wenn Spindelegger je für Außenpolitik gebrannt haben sollte, hat er das Feuer gut versteckt. Gerade ein kleines Land wie Österreich bräuchte jedoch einen Außenminister und einen Kanzler, die im Kreis der Großen mit Ideen brillieren. Von Werner Faymann ist diesbezüglich mindestens ebenso wenig zu erwarten.

Im Außenamt arbeiten exzellente Diplomaten. Es ist kein Zufall, dass immer wieder Österreicher für Spitzenpositionen bei der UNO, der EU oder anderen internationalen Organisationen herangezogen werden. Doch auch ein Tanker, der sich selbst dann geordnet weiterbewegt, wenn die Kommandobrücke anderweitig beschäftigt ist, braucht hin und wieder jemanden an der Spitze, der Aufbruchssignale setzt und die Richtung weist.

Als zehntreichstes BIP-Pro-Kopf-Land der Welt sollte Österreich den Ehrgeiz haben, außenpolitisch etwas mehr zustande zu bringen, als bloß brav an der Seite Deutschlands mitzulaufen. Keine Angst: Das ist kein Plädoyer für außenpolitische Solo- oder gar Irrläufe. Für ein Mitglied der EU wäre es eine törichte Vergeudung von Reputation und Ressourcen, permanent aus der Reihe zu tanzen. Diplomatische PS kann Österreich nur im europäischen Gespann auf die Straße bringen. Doch auch da wäre es möglich, bisweilen die Richtung vorzugeben.

Auf außenpolitischem Feld agierte Österreich zuletzt lediglich auf dem Balkan stark. Der beharrliche Einsatz für die EU-Integration Kroatiens, Serbiens und anderer Länder der Region lohnte sich. Wenig nachhaltig hingegen verlief die groß angekündigte Schwarzmeer-Strategie. Viel mehr als die Eröffnung einer Botschaft in Baku auf Wunsch des Mineralölkonzerns OMV schaute dabei nicht heraus. Genutzt hat auch das nicht viel: Das Nabucco-Pipeline-Projekt verlief bekanntlich im Sand. Politisch blieb Österreich blass in der Region. Es hätte sich als Vermittler zwischen Aserbaidschan und Armenien oder auch in anderen Konflikten anbieten können. Das passierte aber nicht. Dabei wären es Nischen wie diese, in denen ein Kleinstaat wie Österreich Punkte sammeln könnte.


Doch relevant wären nicht nur Randthemen der Weltpolitik. Im Osten läge ein riesiges Betätigungsfeld brach. Österreichs Diplomatie könnte sich etwa führend dafür engagieren, die Ukraine und Weißrussland näher an die EU zu führen. Doch diese Chance ließ man bisher ungenützt verstreichen.

Sogar in Syrien hätte Österreich eine Rolle spielen können. Das Assad-Regime bemühte sich aktiv, einen diplomatischen Kanal über Wien zu öffnen. Doch das Außenamt winkte ab: Zu groß schien die Gefahr, propagandistisch vorgeführt zu werden. Stattdessen stimmte es auf Drängen des Verteidigungsministeriums dem Abzug der Blauhelme von den Golanhöhen zu. Ein dreifacher Fehler: Österreich brüskierte die UNO, verlor Ansehen in der Region und über Nacht auch seinen diplomatischen Hebel in Syrien.

Wer immer das Außenamt in der nächsten Regierung übernimmt, ob Reinhold Lopatka, Michael Spindelegger oder jemand anderer: Er oder sie möge doch bitte mehr Mut, mehr Herz und so etwas wie eine Vision für Österreichs Außenpolitik im 21.Jahrhundert mitbringen.

E-Mails an:christian.ultsch@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.10.2013)

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