In Wien begann das Strafverfahren gegen 13 Justizbedienstete, die Personaldaten aus Exekutionsverfahren an eine Datenfirma verkauft hatten. Die Angeklagten sagen, sie hätten (anfangs) gedacht, das sei erlaubt.
Wien. Wenn Harald Ofner sagt, er kenne die Justiz „relativ gut", darf man ihm das glauben. Seit Jahrzehnten ist er, wie er selbst kokett meint, „ein kleiner Ottakringer Anwalt", zwischenzeitig, in den 1980er-Jahren, war er FPÖ-Justizminister. Mittlerweile ist Ofner 81 Jahre alt, derzeit verteidigt er eine suspendierte Kanzleikraft eines steirischen Bezirksgerichts. Die 54-Jährige - „bald zweifache Großmutter" (Zitat Ofner) - hat Daten aus Exekutionsverfahren an eine Datenfirma verkauft und dafür zirka 9200 Euro kassiert.
Dieses Beispiel zeigt, wie jene Affäre aufgebaut ist, die nun 13 - nur zum Teil suspendierte - Justizbedienstete vor Gericht zu verantworten haben. Allesamt verkauften Daten an eine Auskunftei. Diese wiederum verkaufte das Material zuerst an Mobilfunk-Gesellschaften, später an eine andere, auf Bonitätsauskünfte spezialisierte Datenfirma weiter. Daten, die laut Anklage von den Beamten nie hätten verkauft werden dürfen. Denn: Wer ohne dienstliche Notwendigkeit Registerabfragen vornehme und dann die Ergebnisse verkaufe, begehe Amtsmissbrauch. So wie eben auch die steirische Kanzleikraft.
Hauptangeklagter im Spital
Dienstag, Großer Schwurgerichtssaal, Straflandesgericht Wien: Zwölf der 13 „Justizler", (Gerichtsvollzieher, Kanzleikräfte aus diversen Bezirksgerichten) füllen die Anklagebänke. Ein 13. Angeklagter fehlt. Er ist krank. Auch der Hauptangeklagte, der frühere Firmeninhaber (68), der die Daten in Empfang nahm und weiter verkaufte, kommt nicht. Er liege im Spital, teilt Richterin Stephanie Öner mit. Der Mann, so erfährt man, hat einen Suizidversuch hinter sich.
Der Staatsanwalt gesteht zu, dass es pathetisch klingen könnte, trägt aber dennoch mahnend vor: „Das Vertrauen in die Justiz ist das Fundament unserer Gesellschaft. Der „Missbrauch" von Justizämtern führe „zu Vertrauensverlust" und letztlich zu „Zweifeln am Rechtsstaat". Große Worte, die so manchem Prozessbeobachter das Gefühl leiser Ironie zu vermitteln scheinen - ist doch Staatsanwalt Wolfgang Handler als Ankläger im umstrittenen Wiener Neustädter Tierschützer-Prozess nicht nur mit Lob überhäuft worden.
Jedenfalls war der Datendeal für beide Seiten ein gutes Geschäft: Die Justizvertreter geben die Datenweitergabe zu, wollen aber nicht gewusst haben, dass dies strafbar ist; Daten über Exekutionen könne man auch im Internet abrufen, hieß es. Insgesamt erhielten die Angeklagten etwa 260.000 Euro für ihre Dienste. Der Empfänger soll durch den Weiterverkauf 2,3 Millionen Euro netto verdient haben. Schätzungsweise sind 200.000 Menschen von den zwischen 2002 und 2010 (Anklagezeitraum) laufenden Deals betroffen.
Ewald Stadler als Opfer
Und noch ein Politiker kommt in der Affäre vor - und zwar als Opfer: EU-Parlamentarier Ewald Stadler (vormals BZÖ). Ihm wurde einst der private Ankauf von Mobiltelefonen verweigert, mit Hinweis auf angeblich mangelnde Kreditwürdigkeit. Stadler brachte die Sache zur Anzeige. Und trug so zur Aufarbeitung des Falles bei. Sein Rechtsvertreter sprach gar von einer möglichen kriminellen Organisation. Heute, Mittwoch, wird weiterverhandelt.