Nach der Flüchtlingstragödie wurden Kommissionschef Barroso und Malmström bei ihrer Ankunft auf der Mitelmeerinsel als "Mörder" beschimpft.
Knapp eine Woche nach der Flüchtlingstragödie vor der Küste Lampedusas haben EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso und EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström bei ihrem Besuch auf der Insel am Mittwochvormittag den Protest der Bewohner zu spüren bekommen. Eine Gruppe von Inselbewohnern rief "Schande, Schande!" und "Mörder!", als Barroso und Malmström den Hangar mit den bisher 289 geborgenen Todesopfern der Tragödie unweit des Flughafens von Lampedusa betraten.
Die beiden EU-Spitzenpolitiker wurden vom italienischen Premier Enrico Letta und Innenminister Angelino Alfano begleitet. Die Demonstranten entrollten Transparente mit Slogans gegen die EU, die beschuldigt wurde, Lampedusa sich selbst bei der Bewältigung des massiven Flüchtlingsstroms aus Nordafrika überlassen zu haben.
Die Demonstranten kritisierten zudem, dass Barroso und Malmström keinen Besuch im Auffanglager der Insel planen. Hier sind 800 Menschen untergebracht. Dabei wäre das Auffanglager für maximal 250 Personen geeignet.
Wegen des Protests entschieden sich Barroso und Malmström dann doch, gemeinsam mit Premier Letta das Auffanglager zu besuchen. „Ich habe viel Schmerz in den Augen der Flüchtlingen gesehen", sagte Letta am Ende des Besuchs. Im Flüchtlingslager trafen die Politiker Gruppen von Migranten aus verschiedenen afrikanischen Ländern.
Italien will sich nun einsetzen, um mehr Asylanträger und Flüchtlinge aufzunehmen. "Wer nach Italien kommt, um Asyl zu beantragen, weil er schwierigen Situationen entflieht, soll wissen, dass Italien ein demokratisches und aufnahmefähiges Land ist. Flüchtlinge müssen jedoch Asyl antragen. Oft wollen sie jedoch nicht in Italien bleiben, sondern andere europäische Länder erreiche", betonte Alfano bei einer Pressekonferenz mit Barroso. Letta bestätigte, dass seine Regierung das geltende Einwanderungsgesetz überdenken werde. „In der Regierung gibt es zwar verschiedene Positionen, wir werden jedoch eine Einigung finden“, betonte Letta. Er dankte den Einwohnern Lampedusas für ihre Hilfe für die Flüchtlinge. „Sie sind ein Beispiel von Solidarität und Gastfreundlichkeit“, erklärte der Premier.
"Europäische Tragödie"
Italiens Präsident Giorgio Napolitano bezeichnete indes die Flüchtlingswelle aus Nordafrika als „europäische Tragödie". Bei einem Besuch in Krakau betonte Napolitano, dass im südlichen Mittelmeerraum das Recht der Menschen auf Leben gefährdet sei. Die Lebensbedingungen seien nicht nur vom politischen und wirtschaftlichen Aspekt, sondern auch von den Menschenrechten extrem schwer. Wie Barroso am Mittwoch mitteilte, wird die EU nun Italien 30 Millionen Euro zur Bewältigung des Flüchtlingsnotstands zur Verfügung stellen.
Schon 296 Todesopfer geborgen
Taucher haben am Mittwoch vor Lampedusa inzwischen die Suche nach Leichen fortgesetzt. Bisher wurden 296 Todesopfer geborgen. Noch immer werden Dutzende Menschen vermisst. Nach Angaben von Überlebenden befanden sich 518 Personen an Bord. 155 Menschen wurden gerettet. Das gekenterte Boot liegt in rund 40 Meter Tiefe.
(APA)