Jobs für gering Qualifizierte werden immer weniger, doch es ist schwierig, gerade die Richtigen zu Weiterbildung zumotivieren, sagt Forscher Löffler.
Die PIAAC-Studie zeigt: Fast zwei Drittel der sehr schlechten Leser sind beschäftigt. Heißt das, es ist eh alles halb so dramatisch – solche Leute sind ohnehin auch gefragt?
Roland Löffler: Es wird immer einen Bedarf an gering Qualifizierten geben, etwa für Hilfsarbeiten. Aber in allen beruflichen Ebenen steigen die Anforderungen. Das heißt, ohne ausreichende Lesekompetenz wird es immer schwieriger, einen Arbeitsplatz zu finden.
Werden die entsprechenden Jobs immer weniger? Oder braucht man heute auch für Hilfsjobs immer mehr Kompetenzen?
Beides. Untersuchungen zeigen, dass der Anteil der Jobs, für die eine geringe Qualifikation ausreicht, abnimmt. Zugleich braucht man auch für Jobs in dem unteren Bereich immer mehr neue Kompetenzen, etwa im Bereich von Computer und EDV.
Der Lagerarbeiter muss heute auch mit dem Computer umgehen können.
Ja. Früher war das kein Problem, aber heute wird ein Lagerarbeiter ohne das nicht mehr auskommen. Dasselbe gilt für Maschinenbediener. Als solcher ist man heute körperlich nicht mehr so gefordert, aber man muss eine Prozesssteuerung bedienen können. Dazu muss man lesen können, gewisse EDV-Kenntnisse haben. Ohne das wird man in Zukunft nur schwer unterkommen.
Wo gibt es überhaupt noch Jobs, für die man das alles nicht braucht?
Es gibt wenige manuelle Berufe, wo das nicht erforderlich ist, etwa in der Landwirtschaft, am Bau oder im niedrig qualifizierten Dienstleistungsbereich, zum Beispiel in der Reinigung. Diese wird es vielleicht auch weiterhin geben. Aber die Zahl sinkt.
Jetzt ist von Weiterbildung die Rede – wie erreicht man die Menschen, die das am nötigsten hätten?
Für die Basisbildungskurse, wo es um Alphabetisierung geht, versucht man, sie dort zu erreichen, wo verstärkt Risikogruppen vorhanden sind, etwa über Migrantenvereine. Es wäre aber sinnvoll, wenn auch die Betriebe mit eingebunden werden, dass sie ihren Mitarbeitern nahebringen, wo diese sich weiterbilden können. Das ist ja auch in deren Interesse.
Ist es das? Womöglich verlangt ein Mitarbeiter dann Aufstiegschancen, mehr Geld.
In Deutschland gab es etwa eine Werbekampagne für die Alphabetisierung, in der auch Beispiele aus dem betrieblichen Umfeld gebracht wurden: Etwa das vom Lagerarbeiter, der ein Regal ruiniert, weil er nicht lesen kann, wie viele Kilo es maximal aushält. Ich könnte mir vorstellen, dass man die Interessensvertretungen der Unternehmen für eine solche Kampagne gewinnen kann.
Der Sozialminister wünscht sich ein Recht auf Bildungskarenz. Erwischt man da die Richtigen?
Wer ohnehin schon höher gebildet ist, bildet sich eher. Je bildungsferner jemand ist, desto schwieriger ist er für Weiterbildung zu motivieren. Da muss man an mehreren Schrauben drehen. Die eine ist wohl das Geld: Wenn Menschen mit niedrigeren Einkommen einen höheren Prozentsatz ihres Einkommens erhalten, wäre die Bereitschaft höher, weil der Unterhalt gesichert ist.
Oft haben Menschen in der Schule schlechte Erfahrungen gemacht und wollen damit gar nichts mehr zu tun haben.
Es ist schwierig, Menschen, die sich mit dem schulischen System schwer tun, wieder in etwas schulähnliches hereinzuholen. Auch, wenn jemand seit 25 Jahren nichts mehr mit dem Bildungssystem am Hut hatte, wird er über die traditionellen Wege schwer zu erreichen sein. Bei der Arbeitsmarktförderung für Jugendliche hat man da bereits andere Zugänge gefunden.
Wie sehen diese aus?
Das sind etwa die Produktionsschulen, wo man versucht, die Jugendlichen über die praktische, kreative Schiene zu gewinnen. Das wäre auch für Erwachsene ein Weg. Und da könnten auch die Freiwilligenorganisationen eine Rolle spielen.
Wie kann man sich das vorstellen: Dass die freiwillige Feuerwehr ihre Mitglieder in einen Weiterbildungskurs schickt?
Die Feuerwehr ist ein gutes Beispiel. Denn eine solche Organisation kann als Hebel funktionieren. Und sie ist sich zunehmend auch dessen bewusst, dass sie ihre Leute zur Weiterbildung motivieren kann. Ein Beispiel wäre auch der Sportverein: Wenn Leute etwa bestimmte Kompetenzen brauchen, damit sie die Kantinenkasse führen dürfen, kann man sie motivieren.
Und das funktioniert?
Bei Jugendlichen funktioniert das. Vielleicht muss man auch bei Erwachsenen alternative Wege gehen.
Zur Person
Roland Löffler ist Projektleiter am Österreichischen Institut für Berufsbildungsforschung (ÖIBF). Die inhaltlichen Schwerpunkte des studierten Historikers sind u.a. Arbeitsmarktforschung und Monitoring von Bildungsprogrammen.