Gerichtsvollzieher verkauften Justizdaten: "Na und ...?"

Die Wiener Richterin Stephanie Öner leitet den Prozess.
Die Wiener Richterin Stephanie Öner leitet den Prozess.APA/H. Pfarrhofer
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Im Prozess um den systematischen Verkauf von Daten aus Exekutionsverfahren zeigten einige der angeklagten Justizbeamten ein kaum ausgeprägtes Unrechtsbewusstsein. Die Urteile könnten schon am Dienstag ergehen.

Darf man als Gerichtsvollzieher eines Bezirksgerichts Personaldaten aus der Justizdatenbank an eine Datenfirma verkaufen? Darf man als Mitarbeiter der Exekutionsabteilung eines Bezirksgerichts personenbezogene Angaben aus Exekutionsakten abschreiben und einem Datenhändler verkaufen? Selbstverständlich nicht, sagt der Hausverstand. Selbstverständlich nicht, meint auch die Anklage im Prozess um die Datenaffäre, der am Dienstag begann und am Mittwoch im Straflandesgericht Wien fortgesetzt wurde.
Doch einige der zwölf nun vor Gericht stehenden – derzeit nur zum Teil suspendierten – Beamten (ein 13. Angeklagter wurde krank) zeigen nun kaum Unrechtsbewusstsein. Was für den Staatsanwalt fraglos Amtsmissbrauch (Abfragen von elektronischen Justizregistern ohne dienstliche Notwendigkeit) bzw. Verletzung des Amtsgeheimnisses darstellt, sieht so mancher aus der Angeklagten-Riege als legales Nebengeschäft.

"Nichts dabei gedacht"

Für ihn sei die Kreditauskunftei jenes Mannes, der die Daten ankaufte, „so etwas wie der Kreditschutzverband“ gewesen. Bei den knapp 23.000 Euro, die er durch die Datenweiterleitung verdient habe, habe es sich „um ein schönes Zubrot“ gehandelt. Dies erklärte nun ein angeklagter Tiroler Rechtspfleger. Und: „Ich hab' mir nichts dabei gedacht.“
Eine ehemalige Kanzleikraft eines Tiroler Bezirksgerichts verantwortete sich ähnlich: „Ich hab' mir gedacht, dass das positiv für die Gläubiger ist.“ Sie habe nämlich die Kreditauskunftei, die „an aktuellen Fällen und Namenslisten“ interessiert gewesen sei, „so wie die Gläubigerschutzverbände“ betrachtet. Dass Schuldner ein Recht auf Datenschutz haben, sei ihr „nicht gekommen“. 74.000 Euro hatte die heute 36-Jährige für die Datenweitergabe erhalten. Lediglich einer der beschuldigten "Justizler" sagte klar: "Ich habe freiwillig aufgehört. Ich habe gewusst, dass das nicht erlaubt ist. Als Rechtspfleger weiß man das."

Hauptangeklagter im Spital

Insgesamt sollen von dem Datendealer (er gilt, wie berichtet, als Hauptangeklagter, liegt aber nach Suizidversuchen im Spital) um die 260.000 Euro an die Gerichtsbediensteten bezahlt worden sein. Die systematische Datenweitergabe spielte sich laut Anklage zwischen 2002 und 2010 und damit einen denkbar langen Zeitraum hindurch ab - wobei es in der Anklage wohlgemerkt heißt, dass diese zeitliche Begrenzung des Tatraums zugunsten der Verdächtigen vorgenommen wurde. Unter den Angeklagten befinden sich auch drei Personen, die bereits seit 1986 (!) als sogenannte Melder für den Chef der Datenfirma tätig waren. Mangels ausreichender Buchhaltungsdaten aus dieser Zeit wird eben ein erst späterer Tatzeitraum angenommen. Zu den besonders lange zurückliegenden Taten sei angemerkt: Früher waren die "Eckdaten" zu Exekutionsverfahren noch nicht elektronisch erfasst, sie wurden auf Amtstafeln in den Bezirksgerichten ausgehängt.

200.000 Personen sollen gemäß Schätzung der Anklage von dem Datenmissbrauch betroffen sein. Als prominentes Opfer gilt der EU-Parlamentarier Ewald Stadler (früher FPÖ bzw. BZÖ). Die Arge Daten kommt sogar auf bis zu 700.000 Menschen. Der Chef der Datenfirma selber hat laut Anklage durch den Weiterverkauf der Daten an Mobilfunkbetreiber und an eine Firma, die Bonitätsauskünfte gibt, 2,3 Millionen Euro netto verdient.

Die Verhandlung wird am Dienstag fortgesetzt. Der für Freitag angesetzte Termin entfällt. Am Dienstag soll es auch schon die Urteile geben. Das Verfahren gegen den kranken 13. Angeklagten und den Chef der Datenfirma soll zu gegebener Zeit nachgeholt werden.

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