Deutsche „Huffington Post“ startet

Deutsche Huffington Post startet
Deutsche Huffington Post startet(c) obs/The Huffington Post/Sabine B (Sabine Brauer Photos f�r TOMORRO)
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Vormarsch des Gratisjournalismus. 15 Mitarbeiter reichen der US-Online-Plattform „Huffington Post“ aus, um ein deutschsprachiges Angebot zu lancieren. Chefredakteur Matthes im Gespräch.

Die Presse: Am Donnerstag geht die deutschsprachige „Huffington Post" an den Start. Zunächst ohne Sie als Chefredakteur. Warum verzögert sich Ihr Amtsantritt?

Sebastian Matthes: Ich stecke bei der „Wirtschaftswoche" in mehreren umfangreichen Projekten. Die müssen ordentlich abgeschlossen und einem Nachfolger übergeben werden. Ich habe zum Beispiel die „WiWoGreen" aufgebaut, eine Beilage der „Wirtschaftswoche", aus der ein Internetportal entstanden ist, das sehr schnell wächst. Wir haben 300.000 Seitenaufrufe pro Monat und schon im ersten Jahr Geld verdient.

Dann sind Sie ja für die Anforderungen im Burdakonzern gewappnet: Die „Huffpo" soll „spätestens" 2016 profitabel sein und in fünf Jahren so viele User haben wie Focus Online. Ist das nicht zu hoch gesteckt?

Die Ziele sind ehrgeizig, keine Frage. Aber Tomorrow Focus greift keine Zahlen aus der Luft. Alle Erwartungen des Unternehmens basieren auf langjähriger Erfahrung beim Aufbau neuer Internetprojekte.

Die „Huffpo" ist berüchtigt dafür, dass sie mit einem Minimum an Redakteuren auskommt. Wie viele sind es in München?

In den USA arbeiten mehr als 500 Redakteure für die „Huffpo" - ich glaube nicht, dass das ein Minimum ist. Wir gehen in Deutschland mit 15 Mitarbeitern an den Start.

Wie soll das gehen?

Wir werden uns zunächst auf die wichtigsten Themen fokussieren: Auf Politik, Wirtschaft, Technologie, Gesundheit und Entertainment. Das werden wir in den nächsten Jahren dann immer weiter ausbauen. Wichtig dabei ist, dass wir einen anderen Blick auf die Ereignisse werfen wollen. Immer pointiert, mit einer starken Meinung - aber wo es geht auch mit einem Augenzwinkern. Wir wollen informieren und unterhalten.

Was die „Huffpo" macht, ist ja weniger Journalismus im klassischen Sinn, sondern eine Onlinezeitung, die wenig Inhalt selbst recherchiert, dafür weitgehend von den Inhalten anderer Zeitungen und Medien sowie von gratis Bloggern lebt.

Das stimmt so nicht. Wenn Sie sich die Seite genau ansehen, dann werden Sie sehen, dass ein großer Teil der dort veröffentlichten Texte von den Mitarbeitern selbst recherchiert und geschrieben wurde. So wird es auch bei uns sein. Das ist einerseits eine Nachrichtenseite mit professionell erstellten Inhalten. In den USA hat die „Huffington Post" mit einer Artikelserie über Kriegsveteranen sogar den Pulitzer-Preis gewonnen, die höchste Auszeichnung für Journalisten. Auf der anderen Seite bietet die „Huffington Post" eine Plattform, auf der Menschen aller Fachrichtungen ihre Ideen und Meinungen veröffentlichen können. Wir verstehen uns als Plattform für Spezialisten, die gern schreiben und den Austausch mit dem Publikum anstreben: Wir suchen den Uniprofessor, der über seine Forschung bloggt, den Marathontrainer, der schreibt, wie er die Leute durch den Ironman bringt, den Paartherapeuten, der berichtet, woran es in den Ehen krankt etc.

Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner hat die „Huffpo" als „Anti-Geschäftsmodell für Journalismus" bezeichnet, weil sie Gratis-Inhalte generiert und verbreitet.

Ich verstehe die Kritik nicht. Es ist wichtig, zu verstehen, was wir tun. Erstens sind wir eine Nachrichtenseite wie viele andere auch - mit News, Analysen, Reportagen. In unserer Gastautorenrubrik wiederum geben wir Menschen aller Bekanntheitsgrade die Möglichkeit, über Dinge zu schreiben, die sie bewegen. Ich bin überzeugt, dass das ein gutes Modell ist. Im Übrigen kritisiert auch niemand die Blogplattform Tumblr, wo Autoren ihre Texte veröffentlichen.

Wie soll sich die „Huffpo" finanzieren?

Über Online-Werbung.

Wird es auch Berichterstattung über oder aus Österreich geben?

Daran arbeiten wir. Mittelfristig wollen wir ein Angebot für den gesamten deutschsprachigen Raum sein. Ich fände es großartig, wenn wir sehr schnell Blogger aus Österreich und der Schweiz hätten. Wer Interesse hat, kann mir jederzeit schreiben.

Zur Person

''Huffington Post'' Deutschland

Sebastian Matthes (*1977) studierte Politik und Volkswirtschaft und hat für seine Diplomarbeit ein halbes Jahr in Indien über die Liberalisierung des Strommarktes geforscht. Im Anschluss hat er die Holtzbrinck-Journalistenschule besucht. Der passionierte Geiger und Radrennfahrer kommt von der „Wirtschaftswoche“, wo er seit 2007 das Ressort „Technik und Wissen“ und u. a. das Internetportal „WiWo Green“ aufgebaut hat, bevor er nun als Chefredakteur zur „Huffpo“ wechselt. Am 10. Oktober geht die "Huffington Post" Deutschland online. Tomorrow Focus wird die deutsche Ausgabe der "Huffington Post" betreiben. Sie gehört mehrheitlich dem Münchner Verlag Hubert Burda Media mit Titeln wie "Focus" oder "Bunte". Für das Portal sollen in München 15 Redakteure arbeiten.

Link: www.huffingtonpost.de

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.10.2013)

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