Die Grünen orten beim Koalitionspartner SPÖ Chaos. Die SPÖ wirft den Grünen im Gegenzug De-facto-Gesprächsverweigerung und mangelnde Information vor.
Wien. In der rot-grünen Rathauskoalition fliegen die Fetzen. Man sei verwundert über das „Chaos in der SPÖ“, erklärte ein Sprecher der grünen Vizebürgermeisterin, Maria Vassilakou, am Mittwoch. In SP-Kreisen spricht man von einem Foul des grünen Koalitionspartners, während die SPÖ gleichzeitig mit internen Turbulenzen kämpft. Auslöser ist die umstrittene Neugestaltung der Mariahilfer Straße.
Begonnen hat die Auseinandersetzung am Montag. Vassilakou präsentierte in einer Gratiszeitung die Adaptierung der neu gestalteten Einkaufsmeile: Die komplette Straße wird gepflastert, die Fußgängerzone wird bis zur Zieglergasse verlängert, Radfahrer sollen weiter durchfahren, es kommen neue Beleuchtungen sowie Sitz- und Freizeitmöglichkeiten. „Sobald es warm ist, wird umgebaut“, wurde Vassilakou zitiert.
Der Schönheitsfehler: Die SPÖ wusste nichts von diesen Plänen, war entsprechend überrascht und verärgert, wie aus der offiziellen Stellungnahme des SP-Klubs herauszuhören ist: „Vassilakou hat angekündigt, am 28.Oktober die Ergebnisse der Evaluierung zu präsentieren. Wir würden gern mit ihr (über die Adaptionen, Anm.) reden, bisher hatte sie aber keinen Termin frei.“
Zweiter Punkt: Vassilakous Pläne widersprechen jenen Adaptionen, die Bürgermeister Michael Häupl angekündigt hat – weshalb die SPÖ am Mittwoch ihre Position klarstellte. Und die widerspricht Vassilakous Plänen massiv: Verbannung der Radfahrer aus der Fußgängerzone, bis zu drei Querungen müssen kommen, Ausweitung der Fußgängerzone bis zur Stiftgasse, dafür Ende der Begegnungszone bis zur Zweierlinie und Wiederherstellung des dortigen ursprünglichen Zustandes.
Das Gleiche soll den SPÖ-Wünschen nach auch mit dem Abschnitt zwischen Amerlingstraße und Kirchengasse passieren, denn hier soll der 13A so wie bisher fahren, der Abschnitt der Mariahilfer Straße also nicht länger Fußgängerzone sein. Was bedeuten würde, dass die Straße aus einer Begegnungszone vom Gürtel bis zur Andreasgasse bestehen würde, gefolgt von einer Mini-Fußgängerzone bis zur Neubaugasse, einer Buszone und einer weiteren Mini-Fußgängerzone bis zur Stiftgasse. Ab dann wäre die Straße wieder so wie vor der Verkehrsberuhigung.
Aus der SPÖ ist auch zu hören: „Vassilakous Vorschlag, die 2,3 Kilometer lange Mariahilfer Straße zu pflastern, ist Schwachsinn, weil das völlig unfinanzierbar ist.“
Konfliktspirale dreht sich
Die Konfliktspirale drehte sich Minuten nach der SPÖ-Aussendung munter weiter. Der grüne Verkehrssprecher, Rüdiger Maresch, empörte sich über die rote Aussendung: „Das können die doch nicht ernst meinen.“ Würde der Plan tatsächlich so umgesetzt werden, blieben lediglich zwei Häuserblocks als Fußgängerzonen übrig. Das sei – gelinde gesagt – eigenartig. Wobei der grüne Radverkehrssprecher, Christoph Chorherr, vor Kurzem zusätzlich erklärte: Eine Verbannung der Radfahrer aus der Fußgängerzone „wird es mit uns sicher nicht geben“.
Damit hat Rot-Grün einen handfesten Koalitionskrach. Aber die SPÖ hat dabei bemerkenswerte Abstimmungsprobleme. Die Aussendung mit den Forderungen an Vassilakou bezüglich Mariahilfer Straße wurde von den SP-Spitzen aus Neubau und Mariahilf gezeichnet, also Renate Kaufmann (Bezirksvorsteherin Mariahilf), Peko Baxant (SP-Chef in Mariahilf), Godwin Schuster (Vorsitzender des Wiener Gemeinderats, verankert in Neubau), Rainer Husty (Vizebezirksvorsteher in Neubau). Nur: Kaufmann wusste laut eigener Angabe nichts davon, dass sie die Aussendung unterzeichnet hat. Zur „Presse“ sagte sie wörtlich, dass „möglicherweise ein Irrtum“ passiert sei, indem ihr Name unter die Aussendung gesetzt wurde. Hintergrund: Kaufmann hat völlig andere Vorstellungen bei der Neugestaltung als ihre Partei. Deshalb meint sie: Über Maßnahmen werde nach Ende der Evaluierung geredet.
Im SPÖ-Klub wird Kaufmanns Aussage so kommentiert: Bei einer Sitzung am Montag sei die Aussendung von den Unterzeichnern genau so festgelegt worden. Kaufmann sei zwar nicht dabei gewesen, aber eine Vertretung. Man habe sie zusätzlich informiert, sie hätte zwei Tage keine Einwände vorgebracht – weshalb man im SPÖ-Klub davon ausging, dass sie einverstanden sei. Warum sie nun behaupte, nicht informiert worden zu sein, sei nicht nachvollziehbar.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.10.2013)