In Wahrheit steckt Yellen in einer Zwickmühle.
Theoretisch wird Janet Yellen mit ihrer Ernennung zur Fed-Chefin zur „mächtigsten Frau der Welt“, zur Herrin des Dollars, zur Oberbürokratin der Weltwirtschaft. Theoretisch.
Praktisch wird sie bloß jene Zwickmühle übernehmen, in der ihr Vorgänger Ben Bernanke heute steckt. Genau genommen sind fast alle Fed-Chefs der letzten 70 Jahre in dieser Zwickmühle gesteckt – bloß war ihnen diese Lage lange sogar angenehm. Die Ökonomie hat einen Namen dafür: Triffin-Dilemma, benannt nach dem Ökonomen Robert Triffin.
Es entsteht dann, wenn eine nationale Währung gleichzeitig als Weltreservewährung dient, die Bedürfnisse der betreffenden Nation sich von denen der Weltwirtschaft aber stark unterscheiden.
Das Problem ist, dass das Triffin-Dilemma sich erst dann bemerkbar macht, wenn es fast zu spät ist. Vorher bringt es nur Vorteile. Der französische Finanzminister Valéry Giscard d'Estaing hat es in den 1960ern ein „exorbitantes Privileg“ genannt: Weil die Welt den Dollar als Reserve und Ölwährung nutzt, können die USA de facto Papier exportieren und Güter importieren – also ein permanentes Handelsbilanzdefizit fahren.
Aber dieses Privileg wackelt. Und wenn Saudiarabien Euro oder Renminbi für sein Öl akzeptiert, dann verschwindet es komplett. Das macht Yellen eher abhängig als mächtig.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.10.2013)