Viennafair: Wiens beste Kunstmesse der Stadt

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Viennafair. (C) Viennafair.
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Von Kunst als Investment wird hier heuer fast peinlich berührt nicht mehr geredet. Die Qualität wurde gehalten, einige neue Ansätze wirken aber noch nicht ausgereift.

Liebes Geld, tut mir leid, dass ich dich so lange gehasst habe. Ich liebe dich. Bitte, bitte komm zu mir zurück.“ Schreibt Marina Albu, 1984 geborene rumänische Künstlerin auf einer Kojenwand der Viennafair. Und was ist eine Kunstmesse schon anderes als ein ironischer Liebesbrief – der Kunst an das Geld, das sie so verachtet und sie doch erst ermöglicht. Der Künstler an ihre Sammler, verkuppelt durch die Galeristen. So gesehen ist Wien diese Woche ein Liebesnest.

Im Dunstkreis der auf Kunst aus Österreich, Russland und Osteuropa spezialisierten Kunstmesse brodelt es: 20 führende Wiener Galerien eröffnen heute in ihren Stammräumen zusätzlich zur Viennafair das ambitionierte „Curated by“-Programm. In den heruntergekommenen Räumen des ehem. Post- und Telegrafenamts neben der Börse breitet sich die Satellitenmesse Parallel aus – Shabby Chic mit wenigen künstlerischen Höhepunkten. Und vor der Karlskirche materialisiert sich die junge Szene genau gegenteilig: auf einer strahlend weißen, riesigen Kuppel, bisher nur von Promotion-Events bekannt.

Kurator Jürgen Weishäupl bespielt diese „I-Sphere“ erstmals mit Kunst, projiziert auf ihre Haut Videos. In Kooperation mit den Wiener Galerien Bäckerstraße 4 und Viertel Neun, beide anscheinend vom Viennafair-Beirat nicht erwünscht. Doch man schmollt nicht, sondern stellt selbst etwas auf die Beine– rund um den Video-Dome gibt es noch Einzelpräsentationen in Containern.

Unerwünschte Container gehen der Viennafair auch stärker an den Kragen: Am Rande des Messevorplatzes steht ein doppelt unbequemer, den der galerienlose Künstler Bernhard Hammer mit einer interaktiven Installation zur Flüchtlingsthematik bespielt. Fast schon eine pathetische Symbolik hier, vor dem VIP-Transitbereich der Viennafair. Wobei die Umarmung der Off-Szene durch die „Reiche-Russen-Messe“ wohl durchaus großzügiger ausfallen würde. Würden im Hintergrund nicht die üblichen Galeristenmachtspiele ablaufen. Trotzdem, die Viennafair hat sich als Herzstück des Wiener Kunstmarktplatzes etabliert.

Das hat auch die endgültige Machtübernahme durch den russischen Immobilienentwickler Dmitry Aksenov nicht geändert, der bereits voriges Jahr stiller Eigner war und sich erst unlängst von Partner Sergey Skaterschikov trennte. Die Messe wird jetzt zu 70 Prozent von Aksenov und zu 30 Prozent von der bekannten Wiener Gruppe von Sammlern und Mäzenen gehalten. Mit Skaterschikov scheint es noch offene Rechnungen zu geben, Aksenov erklärte bei der Viennafair-Pressekonferenz den von Skaterschikov gegründeten Ankaufsfonds, der 2012 rund 600.000€ auf der Messe investiert hat, für ruhend. Bis die Besitzansprüche an den Werken geklärt sind, was bis Jahresende passieren soll, so Aksenov.

Das voriges Jahr so strapazierte Wort Investment fiel jedenfalls heuer kein einziges Mal auf dem Podium, auf dem auch die künstlerischen Leiterinnen, Vita Zaman und Christina Steinbrecher-Pfandt, sowie Vertreterinnen der Hauptsponsoren Erste Bank und OMV saßen. Im Großen und Ganzen ist diesem Team wieder eine hochkarätige Veranstaltung gelungen. Bis auf einige Unausgereiftheiten, etwa die zu versteckte und unklar beschriftete Wand mit günstiger Kunst für Start-up-Sammler. Die an den nahen Prater erinnernde riesige Tony-Soprano-Statue im Zentrum der Messe. Und den verschwindend kleinteiligen Skulpturengarten auf dem Messevorplatz. Man merkt schon die Schwierigkeit des Spagats zwischen Spektakelkunst und Kunstspektakel, zwischen der berechtigten Sehnsucht nach der Messe als Event und der Gefahr, hinter der Oberfläche zu ersticken.

Heimtückische Superlative der Kunst!

Trophy-Art findet man hier zumindest keine, internationale High-End-Galerien verzichten schnöde auf den Standort Wien. Trotzdem legen sich die international arbeitenden österreichischen Galerien ins Zeug: Altnöder widmet dem jungen Performer Peter Fritzenwallner einen prominenten Zone-1-Entdeckungsstand, genauso wie Hilger den zauberhaften, zeitgenössisch gebrochenen historischen Stichen Andrew Mezwinskys, der bald im Jüdischen Museum ausstellt. Nächst St. Stephan leistet sich einen konzeptuell gefinkelten Programmüberblick, Kargl stellt einen ganzen Raum aus, den David Maljkovic für einen Wiener Sammler konzipiert hat. Meyer Kainer bietet eine Art Rückschau auf Teile des heurigen Wiener Museumsprogramms – mit einem Abguss aus der Gelatin-Installation im 21er-Haus, Modellen Franz Wests oder einer Collage aus Verena Denglers MAK-Ausstellung – „Wiener Geflecht“. Toller Titel.

Hubert Winter scheint ein Abo auf den Wirtschaftskammerpreis für die beste Schau einer etablierten Galerie zu haben, er gewinnt ihn das dritte Mal in Reihe – für die Präsentation der Grafitzeichnungen des wenig bekannten Franz Vana. Über den Preis für eine junge Galerie, der an die polnische Galerie Czulosc geht, könnte man streiten.

Prinzipiell aber darf man sich wieder auf diese Messe freuen. Mit Superlativen aber, das hat uns das Viennafair-Plakat heuer heimtückisch gelehrt, sollte man vorsichtig sein: „Österreichs größte Kunstmesse Europas.“ Versäumen Sie sie trotzdem nicht.

Bis 13.10., Messeplatz 1, Wien 2, www.viennafair.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.10.2013)

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