Einbürgerungen aus Drittstaaten: Legionen neuer EU-Bürger?

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Legionen neuer EUBuerger(c) EPA (Vadim Ghirda)
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Europarecht-Expertin warnt: Die Mitgliedstaaten Kroatien, Rumänien und Bulgarien könnten massenweise Staatsbürgerschaften verleihen.

Wien. Die Europäische Union könnte in absehbarer Zeit einen sprunghaften Anstieg ihrer Bürgerzahl erleben. Mehrere Mitgliedsländer haben es in der Hand, Personen aus Drittländern durch die Verleihung von Staatsbürgerschaften von einem Moment auf den anderen zu EU-Bürgern zu machen. Kroatien, das 28. und damit jüngste Mitgliedsland der Union, und die 2007 beigetretenen Staaten Bulgarien und Rumänien kennen erleichterte Einbürgerungsverfahren für bestimmte Gruppen von Drittstaatsangehörigen, die außerhalb ihrer Grenzen leben und mit denen kulturelle, sprachliche, ethnische oder historische Gemeinsamkeiten bestehen. Die Zahl der potenziellen Einbürgerungskandidaten geht nach Schätzungen in die Millionen. „Das Potenzial für großflächige, grenzüberschreitende Einbürgerungen ist gegeben“, sagte Karin Traunmüller vom Institut für Europarecht, Internationales Recht und Rechtsvergleichung der Uni Wien vor Kurzem beim Österreichischen Europarechtstag in Innsbruck. Das Brisante daran ist, dass es sich vielfach um eine Art Wirtschaftsflüchtlinge handeln soll: „Diejenigen, die eine neue Staatsbürgerschaft erwerben, machen es laut Studien oft aus wirtschaftlichen Gründen.“

Millionen potenzielle Bewerber

Die Zahlen sind beeindruckend. So sprechen einige Quellen von bis zu 1,5 Millionen Bürgern der Republik Moldau, die sich von Rumänien einbürgern lassen könnten, sagte Traunmüller. Auch viele Ukrainer aus den Gebieten Nordbukowina und Südbessarabien könnten sich für eine rumänische Staatsbürgerschaft interessieren, die ihren Inhabern ja automatisch die Unionsbürgerschaft und damit die Freizügigkeit vermittelt. (Für Arbeitnehmer nach sieben Jahren ab dem Beitritt, also ab 2014 für Bulgaren und Rumänen.)

Auch nach bulgarischem Recht können sich Ukrainer und Moldawier einbürgern lassen, ebenso wie Bürger aus Mazedonien; diese verlieren aber die bisherige Staatsbürgerschaft, wenn sie sich für Bulgarien entscheiden – was den Andrang hemmen könnte, so Traunmüller. Kroatien wiederum hat im restlichen Ex-Jugoslawien hunderttausende potenzielle Einbürgerungswerber.

Die Gesetze in den genannten Mitgliedsländern „lassen eine massenweise Einbürgerung möglich erscheinen“, sagte Traunmüller. Die Auswirkungen liegen auf der Hand: Da die Unionsbürgerschaft mit der Staatsbürgerschaft eines der Mitgliedsländer einhergeht und unteilbar ist, haben eingebürgerte Drittstaatsangehörige alle Rechte von EU-Bürgern. Sie wahrzunehmen darf nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs nicht einmal davon abhängig gemacht werden, wo die Bürger ihren Wohnsitz haben.

Ob andere Mitgliedstaaten Grenzen aufziehen dürften, sollte es tatsächlich zu Masseneinbürgerungen kommen, ist ungewiss. Jene Bestimmungen, welche die Einbürgerungen ermöglichen, existierten überwiegend schon zum Zeitpunkt des Beitritts der Länder; Einschränkungen wurden trotzdem keine vereinbart – auch nicht in Form einer Zahl, bei deren Überschreiten Notmaßnahmen ergriffen werden könnten.

Die Kommission hält sich in der Sache bedeckt: Auf Nachfrage der „Presse“ antwortete ein Sprecher von Innenkommissarin Cecilia Malmström nur, die Verleihung von Staatsbürgerschaften sei Ländersache.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.10.2013)

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