Österreich: Größte Flüchtlingswelle seit 1999

Groesste Fluechtlingswelle seit 1999
Groesste Fluechtlingswelle seit 1999(c) EPA
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Der Strom an Flüchtlingen aus Syrien ist in den vergangenen Monaten drastisch gestiegen. Die meisten befinden sich allerdings auf der Durchreise in „asylfreundlichere“ Länder wie etwa Schweden.

Wien. Österreich ist durch den anhaltenden Bürgerkrieg in Syrien seit Jahresbeginn mit dem größten Flüchtlingsstrom seit dem Kosovo-Krieg 1998/99 konfrontiert, als hunderttausende Einwohner des Kosovo auf der Flucht waren. Das lässt sich nach Einschätzung des Innenministeriums jetzt schon sagen.

Allein über den Brenner gelangten seit Juli 1336 Personen nach Tirol – die meisten von ihnen stammen aus Syrien (577), gefolgt von Eritrea (108) und Somalia (80). Sie wollten weder in Italien noch in Österreich um Asyl ansuchen, sondern meist nach Deutschland und Schweden weiterreisen. Sie wurden jedoch im Rahmen des Rückübernahmeabkommens nach Italien zurückgeschoben.

„Schweden und Deutschland sind bei den Flüchtlingen die beliebtesten Länder, weil sie dort zumeist Verwandte und Bekannte haben, die positive Erfahrungen mit dem Asylwesen gemacht haben“, sagt Harald Baumgartner von der Tiroler Fremdenpolizei. „Diese Staaten haben einen guten Namen, gelten als asylfreundlicher als andere.“

Gerald Tatzgern vom Bundeskriminalamt, zuständig für Schlepperbekämpfung, ergänzt: „In Schweden kann man sich aufgrund der liberaleren Gesetze ziemlich lang legal aufhalten. Zudem wird dort weniger Aufwand betrieben, um das Schlepperwesen einzudämmen.“

Für Deutschland wiederum spreche die „besondere finanzielle und soziale Unterstützung“, die das Land Asylwerbern gewähre. Diese Motive würden von den Flüchtlingen am häufigsten genannt, wenn sie gefragt werden, warum sie nicht in Österreich um Asyl ansuchen wollten.

 

Österreich ist keine Wunschdestination

Österreich jedenfalls zähle nicht zu den Wunschdestinationen, da das Land in Afrika und dem Nahen Osten kaum bekannt sei. „Die Flüchtlinge sind in der Regel gut gebrieft, vermeiden es, in Italien oder in Österreich das Wort Asyl in den Mund zu nehmen, um keinen Asylwerberstatus zu bekommen“, so Baumgartner.

Neben dem Brenner gibt es noch zwei weitere große Eintrittsrouten für Flüchtlinge nach Österreich. Über das Nordburgenland kommen vor allem Menschen aus der Russischen Föderation, Pakistan, Afghanistan und der Türkei. Kärnten wiederum gilt als „Balkanroute“ für afrikanische Flüchtlinge. Insgesamt gab es seit April 14.705 Aufgriffe von Personen, die sich illegal in Österreich aufhielten. 44 Prozent davon reisten aus Ungarn über das Burgenland ein, 32 Prozent kamen aus Italien und Slowenien über den Brenner bzw. über Kärnten. 7746 Asylanträge wurden in diesem Zeitraum gestellt, die meisten von Personen aus der Russischen Föderation, gefolgt von Afghanistan und Syrien.

Zum rechtlichen Hintergrund: Aus Italien oder einem anderen sogenannten sicheren Drittland eingereiste Flüchtlinge werden gemäß EU-Regelung in das Drittland zurückgeschoben. Laut der Dublin-II-Verordnung ist in der EU jenes Land für die Asylsuchenden zuständig, in dem sie erstmals europäischen Boden betreten.

Anlässlich der jüngsten Flüchtlingstragödie vor der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa – mehr als 300 Menschen ertranken, als ein Boot sank – ist in der EU eine Debatte über die gängige Praxis entbrannt. Der Südtiroler Landeshauptmann, Luis Durnwalder, fordert von Österreich mehr Toleranz gegenüber Flüchtlingen, die von Italien über Österreich nach Deutschland reisen wollen. Der Flüchtlingsnotstand sei „keine rein italienische Angelegenheit“ und sollte „auf europäischer Ebene“ gelöst werden.

Österreich hatte sich Ende August bereit erklärt, 500 Flüchtlinge aus Syrien aufzunehmen. Die ersten acht – drei Familien und eine Frau – sind vergangene Woche auf dem Flughafen Wien gelandet. Bis das Kontingent ausgeschöpft ist, heißt es aus dem Innenministerium, werde es aus organisatorischen Gründen aber noch „einige Zeit“ dauern.

EU verstärkt Grenzkontrollen, Leitartikel Seite 2

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.10.2013)


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