Burn-out-Prophylaxe: „Dreieck aus Persönlichkeit, Beruf und Umfeld“

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Burn-out(c) Erwin Wodicka
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Milliarden von Euro verlieren heimische Unternehmen jährlich durch psychosoziale Erkrankungen. Was Führungskräfte dagegen tun? Ein Hernstein-Report.

Zeit für sich selbst, Geld für die alltäglichen Wünsche, Anerkennung und Sinn finden in dem, was man tut: Eigentlich sollte Burn-out-Prophylaxe ganz einfach sein. Ist sie aber nicht. Denn laut Gallup-Studie vom November 2012 verliert die heimische Volkswirtschaft pro Jahr sieben Milliarden Euro durch psychosoziale Erkrankungen – vier davon betreffen Unternehmen, die durch Produktivitätsverlust und Krankenstandstage der Mitarbeiter Geld verlieren.
Laut jüngstem Report des Hernstein-Management-Instituts sind sich die 300 befragten Führungskräfte aus Österreich, Deutschland und der Schweiz der Gefahr durchwegs bewusst, aber nur ein knappes Viertel – vor allem die deutschen Chefs – sehen sie als eher hoch an. Mehr als die Hälfte findet sie weniger hoch. Von konkreten Fällen berichten 54 Prozent der österreichischen, 58 Prozent der deutschen und 51 Prozent der Schweizer Führungskräfte.

Risikozustand verhindern


Irgendetwas läuft also ziemlich schief. Aber was eigentlich? Sind die Arbeitsbedingungen so scheußlich? Halten die Leute nichts mehr aus? Oder hapert es an der Diagnostik? „Es ist ein Dreieck aus Persönlichkeit, Beruf und privatem Umfeld“, so Eva-Maria Ayberk, die Leiterin des Hernstein-Management-Instituts in Wien, „das uns in Balance hält – oder eben nicht.“ Eine einzige Ursache führt selten zum Burn-out, es müssen meist innere und äußere Faktoren zusammenspielen. Etwa ein starkes Verantwortungsbewusstsein, Ehrgeiz, Angst zu versagen, Zeitdruck, mangelnde Anerkennung, hohe Arbeitsbelastung, gegensätzliche Anweisungen, Informationsmangel und knappe Ressourcen. „Unternehmen übersehen dabei oft, wie viel sie dazu beitragen können, dass aus Risikofaktoren kein Risikozustand wird.“ Als das – und nicht als eigenständige Krankheit – wird Burn-out jedenfalls definiert. Hinter den zahlreichen psychischen und physischen Symptomen können von Überlastung bis zur echten Depression zahlreiche Krankheitsbilder stecken.
Trotz dieses Wissens stehen konkrete Maßnahmen gegen Burn-out nur bei 40 Prozent der Deutschen und 24 Prozent der Schweizer auf der Agenda, 46 Prozent sind es in Österreich. Dabei setzen alle gezielt auf die Schulung von Führungskräften und Mitarbeitern (Österreich 69 Prozent, D: 58 Prozent, CH: 49). Die weitere Reihung ist länderspezifisch: In der Schweiz stimmen 48 Prozent für eine überdachte Arbeitsorganisation und 47 Prozent für das Führen von Anerkennungsgesprächen (Ö: 32 Prozent, D: 34), in Deutschland halten 48 Prozent die Unterstützung von Teamprozessen für zielführend (Ö: 36 Prozent, CH: 25). Auch in Österreich setzt man zu 41 Prozent auf eine überdachte Arbeitsorganisation.
Dass die Teamprozesse in Deutschland als so viel wichtiger gesehen werden als in Österreich oder der Schweiz, sieht Ayberk im kulturellen Unterschied begründet. „In Deutschland schätzt man die Selbstverantwortlichkeit viel höher ein, in Österreich spielt der soziale Aspekt eine große Rolle.“ Dieser Unterschied ist auch bei der Frage, welche Merkmale ein gesundes Team aufweisen sollte, spürbar.

Gestaltungsspielraum erweitern


Liegt bei den Österreichern und Schweizern die gute Kommunikationskultur mit 59 Prozent an der Spitze, ist für die Deutschen der hohe Gestaltungsspielraum mit 52 Prozent das wichtigste Kriterium (siehe Grafik). Und die hohe Produktivität, die bei den Deutschen mit 51 Prozent an zweiter Stelle steht, rangiert bei den österreichischen und Schweizer Kollegen nur an dritter Stelle. Auch das Wissen um den Sinn der Tätigkeit wird in Deutschland als wichtiger Indikator angesehen. Dafür liegt die Konfliktkompetenz mit 43 Prozent in Österreich an dritter Stelle. Für Österreich und die Schweiz sind vor allem die Krankenstandstage ein aussagekräftigeres Indiz. „Gesundheit nur als Abwesenheit von Krankheit zu sehen, ist aber viel zu kurz gegriffen“, meint Ayberk. „Vor allem der Umkehrschluss ,oft krank = schlechtes Team‘ ist mit großer Vorsicht zu genießen.“

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Burn-outClemens Fabry, Die Presse

Management-Report

Für den Hernstein-Management-Report werden je 100 Führungskräfte aus Österreich, Deutschland und der Schweiz befragt. Das aktuelle Thema Burn-out-Prophylaxe zeigt deutlich, dass immer mehr Maßnahmen ergriffen werden – die aber nur zum Ziel führen können, wenn sie die Führungskräfte auch selbst leben und umsetzen.
Der nächste Report: am 9. November zum Thema Führungskultur.

Web: www.hernstein.at

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