Syriens Rebellen massakrierten 190 Zivilisten

Civilians transport casualties after what activists said was shelling by forces loyal to Syria's President Bashar al-Assad after Friday prayers in the Damascus suburb of Saqba
Civilians transport casualties after what activists said was shelling by forces loyal to Syria's President Bashar al-Assad after Friday prayers in the Damascus suburb of SaqbaREUTERS
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Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch will handfeste Indizien haben, wonach islamistische Rebellen in Syrien gezielt Zivilisten ermorden – zuletzt mindestens 190 Angehörige der Alawiten-Minderheit.

Damaskus/New York. Dass auch die Rebellen in Syrien Kriegsverbrechen begehen, wird seit Längerem nicht mehr bezweifelt. Nun werden die Vorwürfe immer massiver: Islamistische Rebellengruppen sollen laut einem Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) im August mehr als 190 Zivilisten getötet und hunderte Geiseln genommen haben. Es handle sich um Verbrechen gegen die Menschlichkeit, berichtete HRW am Freitag in New York.

Die Täter gehörten demnach radikalen Organisationen an, darunter der berüchtigten al-Nusra-Front und der Organisation Islamischer Staat im Irak und in Syrien.

Am 4.August sollen laut HRW Guerillas etwa zehn Dörfer der alawitischen Minderheit in der nordsyrischen Küstenregion Lattakia angegriffen und etwa 190 Zivilisten ermordet haben. Mindestens 67 davon seien regelrecht hingerichtet oder zu Tode gefoltert worden. Viele seien unbewaffnet gewesen oder auf der Flucht erschossen worden. Die Angreifer löschten angeblich ganze Familien aus und nahmen zahlreiche Bewohner, hauptsächlich Frauen und Kinder, als Geiseln. Mehr als 200 sollen noch immer in den Händen ihrer Entführer sein.

Ein Zeuge namens Hassan Shebli berichtete, die Angreifer hätten seine gehbehinderte Frau und seinen gelähmten Sohn getötet. Shebli sei geflüchtet und habe die beiden zurücklassen müssen. Bei seiner Rückkehr habe er zwei frische Gräber im Garten und Blutflecke im Haus gefunden. „Man kann immer noch ihr Blut sehen“, sagte er.

„Ausmaß und Organisation dieser Verbrechen deuten darauf hin, dass sie systematisch und als Teil eines Angriffs auf die Zivilbevölkerung geplant waren“, so der Bericht. Insgesamt beteiligten sich demnach 20 Rebellengruppen an dem Angriff, fünf von ihnen seien für die Übergriffe auf Zivilisten verantwortlich – darunter eben die zum Umfeld der al-Qaida zählende al-Nusra-Front und der Islamische Staat im Irak und in Syrien. HRW nannte auch die Brigade Ahrar al-Sham sowie die Gruppen Sukor al-Iss und Muhajirun wa al-Ansar. Kämpfer der Freien Syrischen Armee, der größten und weltlichsten syrischen Widerstandsgruppe, seien erst nach dem Massaker dazugestoßen. Am 18. August eroberten Regierungstruppen das Gebiet zurück.

Die schiitischen Alawiten sind eine Minderheit im mehrheitlich sunnitischen Syrien. Auch die Herrscherfamilie der Assads, die Syrien seit Anfang der 1970er regiert, gehört der Minderheit an. Sie entstand im 9. Jahrhundert im heutigen Irak und lebt heute vorwiegend in einem engen Streifen entlang der Südostküste der Türkei, Syriens, des Nordlibanon sowie auf den Golanhöhen. Sie soll etwa 3,5 Millionen Angehörige umfassen.

Extreme Methoden der Gotteskrieger

Die al-Nusra-Front – sie wird auf 6000 bis 15.000 Kämpfer geschätzt – ist für ihre extremen Kampfmethoden berüchtigt, sie nimmt etwa meist keine Gefangenen. Dafür oder deswegen gilt sie als einer der effektivsten Verbände des Widerstands. Sie führt Bombenanschläge durch, bei denen oft auch Zivilisten sterben, und steht seit spätestens Ende 2012 unter handfestem Verdacht, Christen und Journalisten zu jagen. Sie will ein sunnitisches Kalifat gründen und danach Israel zerstören. (APA/DPA/red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.10.2013)

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