Die Ex-ORF-Generaldirektorin könnte bald vor Gericht stehen. Team-Stronach-Klubobfrau Nachbaur wirft ihr eine "zutiefst unfaire Vorgangsweise" vor.
"Ich habe noch immer nicht die Hoffnung aufgegeben, dass sich Frau Lindner das noch einmal überlegt. Das ist einfach eine zutiefst unfaire Vorgangsweise, die sie hier gewählt hat." Die stellvertretende Bundesparteichefin und Klubobfrau des Team Stronach, Kathrin Nachbaur, kritisiert am Donnerstag im Ö1-"Morgenjournal" das Vorgehen der früheren ORF-Generaldirektorin deutlich. "Ich hatte immer den Eindruck, dass sie eine sehr ehrenhafte Frau ist und will es eigentlich nicht wahrhaben."
Hintergrund ist der Umstand, dass Monika Lindner als "wilde Abgeordnete" in das Parlament einziehen will. Sie hatte bei der Nationalratswahl am dritten Platz der Bundesliste des Team Stronach kandidiert. Schon drei Tage nach ihrer Nominierung hatte sie der jungen Partei aber ihre Gefolgschaft aufgekündigt. Nun will sie ihr Mandat doch annehmen.
Stronach-Anwalt prüft doppelte Täuschung
Nachbaur habe Lindner nahe gelegt, "aus Fairness-Gründen" auf ihren Platz im Nationalrat zu verzichten. Diese habe jedoch per E-Mail abgesagt. "Ich finde es demokratiepolitisch nicht in Ordnung, sich ein Mandat zu schnappen, dass einem eigentlich nicht zusteht", betont Nachbaur, die als rechte Hand von Parteigründer Frank Stronach gilt.
Der Milliardär will das Verhalten Lindners offenbar ebenfalls nicht hinnehmen. Laut einem Bericht der Tageszeitung "Österreich" prüft sein Anwalt Michael Krüger derzeit zwei Strafanzeigen gegen Lindner. "Einerseits wegen Täuschung nach Paragraf 108 Strafgesetzbuch, anderseits auch nach Paragraf 263 - Täuschung bei einer Wahl", wird er zitiert.
Laut Krüger sehe die Partei die Medien-Lady als "Agent Provokateur" an: "Es schaut danach aus, als hätte Frau Lindner in Wirklichkeit nie vorgehabt, im Team Stronach anzutreten. Sie wurde offenbar als U-Boot eingesetzt." Daher sehe er eine mögliche Täuschung. Stronach werde jedenfalls in den kommenden Tagen entscheiden, ob es zu den Strafanzeigen gegen die Ex-ORF-Chefin komme.
Experten: Klage eher aussichtslos
Der Innsbrucker Strafrechtsexperte Klaus Schwaighofer gibt solchen Anzeigen kaum Chancen auf Erfolg: "Meines Erachtens ist das aussichtslos." Denn Lindner habe gesagt, sie ziehe ihre Kandidatur zurück, als ihre Streichung von der Liste nicht mehr möglich war. Seines Wissens habe sie nie gesagt, dass sie das Mandat nicht annehmen werde. "Ich sehe keine Täuschung vorliegen."
Paragraf 108 verlange außerdem, dass jemandem absichtlich Schaden zugefügt werden muss, erläuterte Schwaighofer. Und auch Paragraf 263 greife nicht: Diese Bestimmung gebe es beispielsweise für den Fall, dass man einem Sehbehinderten beim Wahlgang fälschlicherweise sage, wenn er ÖVP wählen wolle, müsse er sein Kreuz in der ersten Zeile machen (wo ja heuer die SPÖ stand). Auch Paragraf 264, "Verbreitung falscher Nachrichten bei einer Wahl", würde nicht passen, ergänzt Schwaighofer gleich vorweg: Da gehe es um Äußerungen so knapp vor der Wahl, dass keine Gegenäußerung mehr möglich ist.
Der Parlaments-Experte Werner Zögernitz kann sich ebenfalls nicht vorstellen, dass solche Anzeigen aufgehen: Das freie Mandat sei in der Verfassung abgesichert, so Zögernitz. Dort stehe, dass Abgeordnete an keinen Auftrag gebunden seien. Und eine Verpflichtung, im Wahlkampf mitzuarbeiten, sei nirgends festgehalten. "Ich sehe da wenig Anhaltspunkte."
Lange machte die Ex-ORF-Chefin kein Hehl aus ihrer Nähe zur ÖVP. Dann überraschte sie mit ihrer Kandidatur für Stronach. Bald sitzt sie als "Wilde" im Parlament.