ÖVP: Unmut über Personalentscheidungen

oeVP Unmut ueber Personalentscheidungen
oeVP Unmut ueber Personalentscheidungen(c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)
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Die Zusammensetzung seines Verhandlungsteams bringt Michael Spindelegger intern heftige Kritik ein. Manche drohen dem Parteichef sogar mit einer "Abreibung".

Wien. Nach einer längeren Sendepause hat sich Heinrich Neisser am Donnerstag wieder einmal zu Wort gemeldet, mit einer gewohnt provokanten Idee: Michael Spindelegger sollte den Parteivorsitz abgeben, um sich besser auf das Vizekanzleramt und ein wichtiges Ministerium konzentrieren zu können, schlug der frühere ÖVP-Minister im ORF-Radio vor.

Verdächtig? Nein, derzeit gibt es keine Obmanndebatte in der ÖVP. Allerdings steht Spindelegger intern in der Kritik: wegen seiner Personalauswahl für die Koalitionsverhandlungen mit der SPÖ. Und wegen der offensichtlichen Demontage einiger Minister.

Der Bauernbund ist – gelinde gesagt – irritiert, da ausgerechnet Wirtschaftsbund-Obmann Christoph Leitl den Bereich Landwirtschaft für die Volkspartei verhandelt. Agrarminister Nikolaus Berlakovich spielt in den Gesprächen gar keine Rolle, Bauernbund-Obmann Jakob Auer wird immerhin hinzugezogen, muss sich aber Leitl unterordnen.

Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager machte seinem Ärger am Donnerstag in einer Aussendung Luft, auch wenn er dabei höflich blieb: Es bereite ihm „Sorgen, dass es dem Bauernbund nicht gelingt, sein Wählerpotenzial auch in Verhandlungsstärke umzusetzen“, schrieb Schmuckenschlager und fügte in Klammer hinzu: „Nur einer von 13 ÖVP-Verhandlern ist ein Bauernbündler.“

Der Wirtschaftsbund wiederum befürchtet eine schleichende Entmachtung, weil einige seiner führenden Vertreter von Spindelegger, der aus dem ÖAAB kommt, degradiert wurden. Finanzministerin Maria Fekter ist nur noch Beisitzerin in den Sondierungen zum Finanzkapitel. Geleitet werden die Verhandlungen überraschend vom oberösterreichischen Landeshauptmann Josef Pühringer.

Leitl statt Mitterlehner?

In Ungnade ist auch Reinhold Mitterlehner gefallen. Spindelegger hält dem Wirtschaftsminister angeblich einen gravierenden Fehler im Wahlkampf vor: Mit Vorschlägen zur Flexibilisierung der Arbeitszeit habe er der SPÖ in die Hände gespielt und der ÖVP geschadet. Es ist daher fraglich, ob Mitterlehner in der Regierung bleibt. Als Alternative im Wirtschaftsministerium wurde zuletzt Leitl genannt. Der Wirtschaftskammer-Chef soll aber auch Interesse am Außenministerium haben.

Zumindest ein Ministerium wird dem Wirtschaftsbund erhalten bleiben – von wem auch immer es dann geführt wird. Nicht nur, weil das den Usancen in der ÖVP entspricht, sondern auch, weil sich Spindelegger hüten wird, noch einmal den Wirtschaftsflügel seiner Partei zu übergehen.

Als im Spätsommer 2012, am Rande des Forums Alpbach, bekannt geworden war, dass der ÖVP-Chef eine Regierungsumbildung – er selbst wollte ins Finanzministerium wechseln, Fekter sollte ins Parlament verschoben, Karlheinz Kopf als Klubchef abgelöst werden – plane, brandete kurz eine Obmanndebatte auf, die vom Wirtschaftsflügel angezettelt worden war. Spindelegger lenkte schließlich ein und beteuerte hinterher, dergleichen nie im Sinn gehabt zu haben.

„Spindelegger muss aufpassen“

Der Plan könnte nun mit Verspätung umgesetzt werden. Spindelegger dürfte in der nächsten Regierung das Finanzministerium übernehmen. Wer den ÖVP-Klub führen soll, ist noch offen. Ein Freund von Kopf war der Parteichef nie. Allerdings soll er mittlerweile auch das Vertrauen in Fekter verloren haben.

Nicht wenige in der Partei gehen davon aus, dass sich Spindelegger bei der konstituierenden Sitzung des ÖVP-Klubs am 28. Oktober (am Tag vor der konstituierenden Nationalratssitzung) selbst zum Klubobmann wählen lässt. Zum einen, um sich mitten in den Regierungsverhandlungen abzusichern – was durchaus Tradition in der ÖVP hat. Zum anderen aber auch, um Zeit für diese Personalentscheidung zu gewinnen. Dem Vernehmen nach hat nämlich auch Reinhold Lopatka gute Chancen, Klubchef zu werden. Zunächst muss der Staatssekretär aber die Regierungsgespräche für den Parteichef koordinieren.

„Spindelegger muss aufpassen, dass ihm der Klub nicht eine Abreibung verpasst“, sagt ein hochrangiger Funktionär. Denn der Parteichef habe zuletzt viele einsame Entscheidungen getroffen, vorbei an wesentlichen Teilen der ÖVP: „Das gefällt vielen nicht.“ Andere werfen ihrem Parteiobmann mangelnde Kommunikation vor. Minister wie Nikolaus Berlakovich, Beatrix Karl und Karlheinz Töchterle sollen aus der Zeitung erfahren haben, dass sie bei den Koalitionsverhandlungen nicht gebraucht werden. Öffentlich ließ sich allerdings keines der drei Regierungsmitglieder zu kritischen Worten hinreißen.

Dabei kann das manchmal hilfreich sein. Dorothea Schittenhelm, die Chefin der ÖVP-Frauen, hatte Anfang der Woche beklagt, dass ihre Organisation keine Vertreterin in die Sondierungsgespräche entsenden darf. Tags darauf erhielt sie einen Anruf von Wilfried Haslauer, der nicht nur mit dem Bildungskapitel, sondern auch mit der Frauenpolitik betraut wurde. Ob sie sich nicht mit Vorschlägen einbringen wolle, habe der Salzburger Landeshauptmann, wohl auf Anregung der Bundespartei, gefragt. Schittenhelm sagte zu: „Damit ist das Thema für mich erledigt.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.10.2013)

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