Die roten und die schwarzen Bastionen

AUFTRAGSERTEILUNG ZUR REGIERUNGSBILDUNG AN SPOe-BUNDESPARTEIOBMANN FAYMANN DURCH BP FISCHER
AUFTRAGSERTEILUNG ZUR REGIERUNGSBILDUNG AN SPOe-BUNDESPARTEIOBMANN FAYMANN DURCH BP FISCHERAPA/HANS KLAUS TECHT
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Die Stärkeverhältnisse bei den Personalvertretungswahlen der Beamten sind nach einer Untersuchung, mitentscheidend dafür, welche Ressorts SPÖ und ÖVP bei der Bildung der Regierung beanspruchen.

Wien. Eine der wichtigsten Fragen bei den Verhandlungen zwischen SPÖ und ÖVP über die Bildung einer neuen Regierung ist die Verteilung der Ministerien. Dazu liegt der „Presse“ exklusiv eine Studie von Laurenz Ennser-Jedenastik vom Institut für Staatswissenschaft der Universität Wien vor. Ennser-Jedenastik hat anhand von Daten der vergangenen Jahrzehnte nachgewiesen, dass bei der Zuteilung der Ministerien nicht nur inhaltliche, sondern auch die Parteipräferenzen der jeweiligen Beamten eine wichtige Rolle spielen.

„Der österreichische Fall ist deswegen besonders gut geeignet für diese Fragestellung, weil wir aus den Personalvertretungswahlen für jedes Ministerium genau wissen, wie die Parteipräferenzen der dortigen Beamten aussehen. Das ist eine europaweit einmalig günstige Datenlage“, sagt der Wissenschaftler. Ennser-Jedenastik hat die Ergebnisse der Personalvertretungswahlen in den Ministerien von 1979 bis heute analysiert und die Daten mit den Ressortverteilungen nach Regierungsverhandlungen verglichen. Das Ergebnis: Ministerien mit besonders vielen roten Mitarbeitern bekommen tendenziell einen roten Minister. Ist die Ministerialbürokratie dagegen schwarz, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die ÖVP den Ministerposten erhält.

„Die Motivation hinter diesem Muster ist naheliegend. Parteien wollen, dass ihre Minister nicht gegen bürokratische Widerstände ankämpfen müssen“, sagt Ennser-Jedenastik. Denn seien große Teile der Beamtenschaft einem Minister wohlgesinnt, seien weniger Konflikte zu erwarten. Eine Ausnahme war die Regierungsbeteiligung von FPÖ/BZÖ, weil es in der Beamtenschaft nicht sehr viele FPÖ- und BZÖ-Wähler gibt.

Das Bildungsministerium schert aus

Was bedeuten die Studienergebnisse nun für die aktuellen Koalitionsverhandlungen zwischen SPÖ und ÖVP? Die ÖVP wird alles tun, um wieder das Justizministerium, das Wirtschaftsministerium, das Landwirtschaftsministerium und das Finanzministerium zu bekommen. Denn in diesen Ministerien hat die Mehrheit der Beamten stets schwarz gewählt (siehe Grafik). Die SPÖ hat dagegen im Sozialministerium, im Verkehrs- und im Gesundheitsministerium die Mehrheit der Mitarbeiter hinter sich.

Die roten und die schwarzen Bastionen
Die roten und die schwarzen BastionenDie Presse

Kommt es wieder zur einer rot-schwarzen Koalition, gäbe es laut Ennser-Jedenastik aber einige Ministerien, die einen neuen Chef bekommen könnten, wenn die Parteien die Ressortverteilung so arrangieren wollen, dass alle Minister in einem möglichst freundlichen Umfeld arbeiten. Problematisch für die SPÖ ist beispielsweise das Bildungsministerium. Dort haben sich zuletzt 62,23 Prozent der Beamten für die ÖVP ausgesprochen und nur 37,77 Prozent für die SPÖ. Damit lässt sich vielleicht erklären, warum sich Ministerin Claudia Schmied (SPÖ) in ihrem Ressort nie so richtig durchsetzen konnte. Es ist aber fraglich, ob die SPÖ aus ideologischen Gründen das Bildungsministerium abgeben wird.

Schwierig ist die Lage auch im Verteidigungsministerium, wo die Beamten traditionell Schwarz wählen. Daher haben es rote Verteidigungsminister wie Norbert Darabos und Gerald Klug dort besonders schwer. Studienautor Ennser-Jedenastik hält es daher für möglich, dass das Verteidigungsressort im Zuge der Koalitionsverhandlungen zur ÖVP zurückkehrt.

Innenministerium wurde schwärzer

Ein „Wackelkandidat“ ist auch das Innenministerium. Hier sieht sich die ÖVP mit einer roten Mehrheit in der Beamtenschaft konfrontiert. Als die ÖVP im Jahr 2000 die Leitung des Innenministeriums übernahm (davor war das Ministerium 30 Jahre bei der SPÖ), hatte sie 20 Prozent bei der Personalvertretungswahl. Neun Jahre später waren es bereits 38 Prozent. „Das ist eines der wenigen Ressorts, wo es in jüngerer Zeit auffälligere Verschiebungen in Richtung der Ministerpartei gegeben hat“, so Ennser-Jedenastik.

Rechnet man alle Ministerien zusammen, hat die ÖVP bei den Beamten noch immer das Sagen. Von 1979 bis zur letzten Personalvertretungswahl im Jahr 2009 sank der Stimmenanteil der ÖVP mit der Fraktion Christlicher Gewerkschafter (FCG) von 59,5Prozent auf 54,2 Prozent. Der Anteil der SPÖ mit der Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter (FSG) reduzierte sich von 37,3 Prozent auf 34,9 Prozent. Die freiheitliche AUF legte seit 1979 von 2,1 Prozent auf 7,9 Prozent zu.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.10.2013)

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