Jede sechste Lehre wird abgebrochen

Die duale Ausbildung gilt eigentlich als Erfolgsmodell. Aber jeder sechste Lehrling bricht sie ab, Frauen und Ausländer häufiger als Männer und Österreicher.

Wien. Karriere mit Lehre? Jeder sechste Auszubildende in Österreich verzichtet darauf – und bricht die Lehre ab. Das zeigt die Studie „Lehrlingsausbildung im Überblick“ des Instituts für Bildungsforschung der Wirtschaft (IBW). Besonders hoch ist die Drop-out-Quote demnach in der überbetrieblichen Lehrlingsausbildung (32 Prozent) und im Bereich Tourismus und Freizeitwirtschaft (29Prozent). Besonders niedrig ist der Anteil der Abbrecher in der Industrie (sechs Prozent) sowie in der Sparte Banken und Versicherung (zehn Prozent).

Mehr Schulabbrecher

Im Jahr 2011 haben in Österreich knapp 45.000 Lehrlinge ihr Lehrverhältnis beendet, ohne danach eine andere Lehre anzutreten. Davon haben 16,6 Prozent ihre Lehrzeit nicht abgeschlossen und auch bis Ende 2012 keine Lehrabschlussprüfung (LAP) abgelegt – sie gelten damit also als Lehrabbrecher.

Nach Bundesländern betrachtet weist Wien mit Abstand den höchsten Anteil an Lehrabbrechern auf (25,6 Prozent) und Oberösterreich den niedrigsten (11,1Prozent). Frauen (18,6 Prozent) brachen etwas häufiger ab als Männer (14,2 Prozent), Ausländer (29,4 Prozent) öfter als Österreicher (14,8 Prozent).

Damit liegt die Drop-out-Quote offenbar deutlich unter dem Anteil der Abbrecher von rein schulischen Ausbildungen, wobei aufgrund unterschiedlicher Erhebungsmethoden die Zahlen aber nicht direkt vergleichbar sind.

An den AHS haben demnach 27 Prozent des Eintrittsjahrgangs 2006/07 bis 2011/12 ihre Ausbildung nicht abgeschlossen, an den berufsbildenden höheren Schulen (BHS) waren es 36 Prozent und an den berufsbildenden mittleren Schulen (BMS) 51 Prozent.

In den Daten der Schulstatistik gilt allerdings auch ein Wechsel in einen anderen Schultyp (also etwa von der AHS in die BHS) als Drop-out, während der Beginn eines anderen Lehrverhältnisses nicht als Lehrabbruch gewertet wird. Außerdem wählen viele Jugendliche für ihr neuntes und letztes Pflichtschuljahr lieber eine BMS als eine Polytechnische Schule und wechseln dann etwa in die Lehre, was als BMS-Abbruch zählt.

Mitterlehner will gegensteuern

Die sogenannte duale Ausbildung gilt trotz der Abbrecher als Erfolgsmodell, das auch in anderen europäischen Ländern kopiert werden soll. Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) sieht dennoch Handlungsbedarf ob der Zahlen zu Lehrabbrüchen. „Wir müssen die betriebliche Lehre noch attraktiver machen und die Erfolgsquote der Ausbildung weiter erhöhen“, so Mitterlehner.

Der Minister verwies auf das im Vorjahr als Pilotprojekt gestartete Lehrlingscoaching, bei dem Coaches bei Problemen während der Ausbildung helfen und zwischen Betrieb, Berufsschule und Lehrling vermitteln. Außerdem erleichtere der Bund durch finanzielle Zuschüsse den Zugang zu den Vorbereitungskursen für die Lehrabschlussprüfung und unterstütze auch eine eventuelle Wiederholungsprüfung.

Gegen die relativ hohe Drop-out-Quote bei der überbetrieblichen Lehrausbildung soll die im September gestartete Übertrittsförderung wirken: Betriebe, die einen Lehrling aus einer überbetrieblichen Ausbildungseinrichtung (ÜBA) übernehmen, bekommen dafür einen Bonus von 1000 Euro. Die Gewerkschaftsjugend fordert mehr Maßnahmen zur Qualitätssicherung. (ag.)

IN KÜRZE

Jeder sechste Lehrling bricht seine Ausbildung ab. Das ergibt eine aktuelle Studie des Instituts für Bildungsforschung der Wirtschaft. Frauen (18,6 Prozent) brechen ihre Lehre eher ab als Männer (14,2 Prozent) – und Ausländer (29,4%) eher als Österreicher (14,8%). In Wien schließt jeder vierte Lehrling seine Ausbildung nicht ab.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.10.2013)

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