In der Schweiz haben sich prominente Führungskräfte das Leben genommen. In Österreichs Unternehmen werden psychische Probleme meist totgeschwiegen.
Wien. Nach Suiziden von mehreren prominenten Spitzenmanagern wird in der Schweiz zunehmend über psychische Belastungen am Arbeitsplatz diskutiert. In Österreich haben nun das Wirtschaftsforum der Führungskräfte (WdF) und die Wiener Städtische Versicherung eine Studie über den Gesundheitszustand der heimischen Manager vorgestellt. Das WdF ist Österreichs größte unabhängige Vereinigung für Manager. Von den 3000 WdF-Mitgliedern nahmen über 200 Führungskräfte an der Gesundheitsstudie teil. Davon waren 82 Prozent Männer. Befragt wurden ausschließlich Personen, die in der ersten und zweiten Managementebene tätig sind.
Demnach klagen 51 Prozent der Führungskräfte über Stress und psychische Belastungen. An zweiter Stelle liegt Bewegungsmangel, gefolgt von Über- und Untergewicht (siehe Grafik). „Die Führungskräfte machen sich zunehmend Gedanken über den Ausgleich zwischen Privat- und Berufsleben“, sagt Studienautorin Gabie Peiskammer von Triconsult. Nur 23 Prozent der Befragten gaben an, dass sich ihr Beruf und ihr Privatleben in einem ausgewogenen Verhältnis befinden. Für 66 Prozent hat die berufliche Orientierung Vorrang. Wer unter gesundheitlichen Problemen leidet, behält das meist für sich. Laut der Umfrage erzählt kein einziger Manager seinen Arbeitskollegen von allfälligen psychischen Belastungen.
Die Annahme, dass nur Führungskräfte von psychischen Störungen betroffen sind, ist aber falsch. Laut Ifes-Umfrage, die im Auftrag der Arbeiterkammer durchgeführt wurde, klagen 40 Prozent der Arbeiter und Angestellten über „Psychostress“ im Job. Als Belastungsfaktoren wurden angegeben: Stress, Demotivation, die Unfähigkeit abzuschalten, das Gefühl der Erschöpfung und Überlastung. Für diese Studie wurden 3900 unselbstständig Erwerbstätige befragt.
Psychostress kostet Milliarden
Seit 1994 haben sich in Österreich die Krankenstandstage wegen psychischer Belastungen fast verdreifacht. Das Wifo und die Donau-Universität Krems haben errechnet, dass psychische Erkrankungen den Staat und die Wirtschaft jährlich etwa 3,3 Mrd. Euro kosten. Der Betrag ergibt sich aus den medizinischen Betreuungskosten und den Kosten, die der Wirtschaft durch die Ausfälle der Mitarbeiter entstehen.
Laut Hauptverband der Sozialversicherungsträger nehmen jährlich 900.000 Österreicher wegen psychischer Leiden Leistungen der Krankenversicherung (wie Krankengeld, Medikamente und stationäre Aufenthalte) in Anspruch. 840.000 Österreicher erhalten vom Arzt Psychopharmaka verschrieben. „Die Versorgung mit Psychotherapie ist dagegen beschämend“, klagt der Bundesverband der Psychotherapeuten. Laut Hauptverband werden in Österreich jährlich 250 Mio. Euro für Psychopharmaka ausgegeben, aber nur 70 Mio. Euro für Psychotherapie und klinisch-psychologische Diagnostik.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2013)