Der Fall Maria und die Babymafia

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Die Suche nach der Identität des blonden Roma-Mädchens geht weiter - und zeigt Missstände in Ämtern auf.

Wien/Athen. Die kleine Maria gibt der griechischen Polizei weiterhin Rätsel auf: Die Identität des kleinen Mädchens mit den weißblonden Haaren, der hellen Haut und den grünen Augen, das in einem Roma-Lager der griechischen Stadt Farsala entdeckt wurde, ist weiterhin unklar. Das Mädchen, das vermutlich fünf oder sechs Jahre alt ist, findet sich nicht auf der Vermisstenliste der internationalen Polizei Interpol. Ein DNA-Abgleich blieb ohne Ergebnis. Zudem überprüfte die griechische Polizei Vermisstenfälle aus mehreren Ländern – auch das bisher ergebnislos. Zudem ist am Dienstag ein ähnlicher Fall aus Irland bekannt geworden: Einer Familie in Dublin wurde ein Mädchen abgenommen, von dem die Eltern behaupteten, es handle sich um ihre leibliche Tochter, ohne jedoch eine Geburtsurkunde vorzeigen zu können.

Der „Fall Maria“ war in Griechenland vergangene Woche ins Rollen gekommen: Die Polizei war während einer Razzia in einem Roma-Lager auf das Kind, das so anders als seine angeblichen Eltern aussieht, aufmerksam geworden. Das Paar behauptete, die leiblichen Eltern zu sein, verstrickte sich dann aber in Widersprüchlichkeiten. DNA-Tests ergaben jedenfalls keine Übereinstimmung zwischen dem Erbgut des Kindes und dem des Roma-Pärchens. Die 40-jährige Frau und ihr 39 Jahre alter Mann wurden verhaften und sitzen seit Montagabend in Untersuchungshaft. Ihnen wird Kindesentführung vorgeworfen. Das Mädchen befindet sich derzeit in Obhut der Kinderschutzorganisation „Das Lächeln des Kindes“.

Betrug mit gefälschten Urkunden

Das Pärchen leugnete jedenfalls, das Kind entführt zu haben. Seine Version lautet: Eine Roma-Frau aus Bulgarien habe ihnen das Mädchen anvertraut. Die Frau habe damals ebenfalls in der Roma-Siedlung in Farsala gelebt, sei mittlerweile aber weitergezogen. Vermutlich halte sie sich in Athen auf. Dass seine Geschichte plausibel sein könnte – vor allem, weil die Überprüfung von Vermisstenfällen in einer Sackgasse zu enden scheint –, gibt mittlerweile auch die griechische Polizei zu. Im Zuge der Suche nach Marias wahrer Identität ist jedenfalls eine Reihe von Missständen in griechischen Behörden zum Vorschein gekommen. Erst in diesem Frühjahr hatte das Roma-Paar das Kind unter der Vorlage falscher Papiere auf dem Athener Standesamt angemeldet. Der Betrug hat mehrmals geklappt: Insgesamt 14 Kinder hatte das Paar angemeldet, um Kinderbeihilfe zu kassieren.

Laut Medienberichten ist in Athen seit 2001 die Zahl der nachträglich eingereichten Registrierungen von Geburten auf das Achtfache gestiegen. Viele Anträge beträfen mehr als ein Kind, oft sei der Vater unbekannt, und die meisten Antragsteller kämen aus Gemeinden mit großer Roma-Population.

Ein Gericht hat am Dienstag die Überprüfung aller Geburtsurkunden seit 2008 angeordnet, um Ordnung in das marode System zu bringen. Der Athener Bürgermeister spricht von „Mängeln in der Verwaltung auf allen Ebenen“ und hat vier Beamte, darunter den Leiter des Geburtenregisters, suspendiert.

Handel mit Babys floriert

Und noch einen Missstand hat der Fall ins Licht gerückt: Griechenland ist seit Jahren Drehscheibe für Kinderhandel, begünstigt durch ein umstrittenes nationales Gesetz, das neben staatlichen auch private Adoptionen ermöglicht. In erster Linie sind es Roma-Frauen aus Bulgarien, die ihr Ungeborenes für wenige hundert Euro an Mittelsmänner verkaufen. Hochschwanger reisen sie nach Griechenland und bringen dort das Kind in einem Spital zur Welt. Sofort nach der Geburt nehmen die Mittelsmänner das Baby an sich und verkaufen es weiter an kinderlose griechische Paare – für bis zu 30.000 Euro. Ermittlungen gegen die sogenannte Babymafia blieben bisher ohne nennenswerte Erfolge. (ag./zoe)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2013)

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