Streiks sind in Österreich selten - jetzt ist es wieder einmal so weit: Die Gewerkschaft ruft zu Kampfmaßnahmen, um die von den Unternehmen geforderte Arbeitszeitflexibilisierung zu verhindern.
Wien. Das Chili con Carne, das den Verhandlungsteams Dienstagabend serviert wurde, hat die Fronten in der Kollektivlohnrunde der Metaller deutlich verschärft. Nach zwölf Stunden, um zwei Uhr früh, wurden die Gespräche abgebrochen. Wenig später, am Mittwochvormittag, stand fest: Ab kommenden Dienstag stehen alle Räder still – unbefristeter Streik in ganz Österreich.
In einem Land wie Österreich, in dem Streiks in Sekunden gemessen werden, sorgt der Arbeitskampf der Metaller für große Aufregung. Zumal der Abschluss der Branche mit 180.000 Beschäftigten Vorbildwirkung für die gesamte Industrie und den Handel hat. Zwar sehen gewiefte Verhandler den angedrohten Streik als altbekanntes Muskelspiel – vor zwei Jahren griffen die Metaller nach vier ergebnislosen Verhandlungsrunden auch zu Kampfmaßnahmen. Allerdings gab es 2011 „nur“ Warnstreiks.
Was die Sache brisant macht: Der Arbeitskampf, den die 120.000 Beschäftigten im Fachverband Maschinen- und Metallwaren (FMMI) stellvertretend für die restlichen fünf Sparten führen, findet mitten in den Regierungsverhandlungen statt. Für Sprengstoff ist daher auch auf höchster Polit-Ebene gesorgt.

Vorerst fliegen auf Sozialpartnerebene die Fetzen: Die Gewerkschafter Rainer Wimmer (Pro-Ge) und Karl Proyer (GPA-djp) sprechen von einem Erpressungsversuch der Arbeitgeber – das sei keine Sozialpartnerschaft auf Augenhöhe. FMMI-Chef Christian Knill kontert, die Arbeitnehmer bedrohten mit ihren überzogenen Forderungen tausende Arbeitsplätze. „Streik ist keine Lösung“, sagt Knill.
Der Streit geht weit über die Höhe des Lohnabschlusses hinaus. Die Kernpunkte:
• Gesamtrunde. Das Ritual der gemeinsamen KV-Runde ist tot. Die sechs Metallersparten (Maschinen/Metall, Bergbau-Stahl, Gießerei, Fahrzeuge, Nichteisenmetalle und Gas- und Wärmeversorger) verhandeln getrennt, was die Gewerkschaften erzürnt. Im Vorjahr kam es trotz getrennter Gespräche zu einem de facto identen Ergebnis von plus 3,3 Prozent.
• Lohnplus. Die Gewerkschaft fordert 3,4 Prozent Lohnplus (mindestens 100 Euro). Dagegen beträgt das Angebot der Arbeitgeber 2,3 Prozent. Mindestlöhne, Zulagen und Aufwandsentschädigungen sollen nicht steigen, weil der Mindestlohn in der Branche mit 1636 Euro hoch ist. Die Gewerkschafter sprechen von Tabubruch und von einem De-facto-Reallohnverlust.
• Flexizeit. Die Arbeitgeber wollen mehr Arbeitszeitflexibilisierung. Ein Beschäftigter soll ein Zeitkonto von maximal 167,4 Stunden (Monatsarbeitzeit) aufbauen können. Der Durchrechnungszeitraum, in dem er diesen Polster abbaut, soll auf Betriebsebene fixiert werden. Überstundenzuschläge soll es wie bisher ab der neunten Stunde pro Tag geben. Allerdings soll es keine Zuschläge mehr geben, wenn mehr als 38,5 Stunden pro Woche gearbeitet wird. Das Zeitkonto sei eine „Grauslichkeit“, meinte Wimmer. „Wenn wir Überstunden machen, wollen wir diese auch bezahlt haben.“
Flexibilität zeigten beide Seiten nur beim Rauchen: Unbezahlte Rauchpausen werden nicht im Kollektivvertrag, sondern auf Betriebsebene geregelt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.10.2013)