Zwerge, Klone oder einfach keine guten Chefs

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Fehlbesetzungen: Auch ganz oben wird ganz heftig daneben gegriffen. In welche Fallen Spitzenmanager bei Personalentscheidungen immer wieder tappen.

Es passiert auch den Erfolgreichsten: Vor Fehlern bei der Besetzung von Spitzenpositionen sind auch diejenigen nicht gefeit, die gemeinhin als Topkräfte gelten. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel kann seit ihren Erlebnissen mit dem von ihr durchgesetzten Bundespräsidenten Christian Wulff genauso ein Lied davon singen wie Siemens Gerhard Cromme, der seine Entscheidung, auf Klaus Kleinfeld Peter Löscher folgen zu lassen, heute möglicherweise auch nicht mehr für die glücklichste hält. Und die Reederei Costa Crociere würde Francesco Schettino heute wohl auch nicht mehr zum Kapitän der Costa Concordia machen.

Warum soviele Top-Positionen mit Menschen besetzt werden, die dafür aus den unterschiedlichsten Gründen nicht qualifiziert sind, untersucht Leopold Hüffer in seinem aktuellen Buch „Kalte Fische – Warum wir Top-Jobs mit Top-Flops besetzen“. Der Schweizer Experte für Top Executive Assessments und vormalige Lehrbeauftragte der Universität Zürich beschreibt darin, welchen Fehlern Spitzenmanager immer wieder aufsitzen, wenn es um die Suche nach geeigneten Kandidaten geht.

Das beginnt mit der Neigung, sich von federnden Schritten und selbstbewusstem Auftreten des Kandidaten ebenso blenden zu lassen wie von allerlei Titeln und Zertifikaten, die nicht zwingend für komplexe Aufgaben qualifizieren. Denn nicht jeder MBA sagt etwas darüber aus, wie gut ein Mensch führen, motivieren und letztlich den geforderten Erfolg für das Unternehmen erbringen kann.

Angst vor Konkurrenz

Ein anderer Hemmschuh für gute Besetzungen ist laut Hüffer die Angst vor dem zu perfekten Bewerber, der möglicherweise in naher Zukunft anfängt, am eigenen Sessel zu sägen und Zusammenhänge in Frage zu stellen, die sich für alle Beteiligten so kommod eingebürgert haben. Eine – oft unbemerkte – Haltung, die gewisse Gefahren birgt, wie schon der von Hüffer zitierte Management-Vordenker Reinhard Sprenger wusste, als er zu bedenken gab: „Wenn Sie nur Bewerber einstellen, die kleiner sind als Sie, erschaffen Sie eine Organisation von Zwergen.“

Wer dem aus dem Weg gehen will, tappt schnell in eine andere Falle, nämlich sich bei Besetzungen auf Bewerber aus dem eigenen Netzwerk zu verlassen. Das mag durchaus seine Vorteile haben, man kennt einander, stammt oft aus denselben gesellschaftlichen Kreisen, hat ähnliche Schulen besucht und Erfahrungen gemacht. Doch genau darin liegt laut Hüffer auch der Nachteil: die Gefahr, die Suche nach dem wirklich passenden Bewerber für genau diese Stelle unnötig einzugrenzen und damit Kandidaten gar nicht erst in Erwägung zu ziehen, die möglicherweise ideal wären.

Beeindruckt von sich selbst

Wobei die Vorstellung, was „ideal“ ist, auch zu oft vom eigenen Selbstbewusstsein definiert ist: Wer es ganz nach oben geschafft hat, würde – überspitzt formuliert – am liebsten jede wichtige Position mit einem kleinen Klon von sich besetzen – schließlich hat es ja Gründe, dass man ist, wo man ist. Eine Haltung, die mit der Zeit eine erkleckliche Anzahl von Ja-Sagern erzeugt, die oft mehr dem Wohlgefühl des Vorstandes als dem Unternehmenserfolg zuträglich sind. Wobei diese Haltung meist keine bewusst eingenommene ist, wie Wolfgang Regele, Geschäftsführer der Redmont Consulting und Referent des Hernstein-Seminars „Führen von Führungskräften“ weiß: „Die Neurobiologen sagen zwar, wir bräuchten die Vielfalt, aber Vielfalt kann auch unglaublich mühsam sein“, erklärt er, warum das Kommunizieren unter Gleichen oder Gleichgesinnten um so vieles einfacher ist und wie schwer es oft sei, hier eine Balance zu finden.

Einen weiteren Grund für das Scheitern von Besetzungen sieht Regele in dem bekannten „Peter-Prinzip“ des amerikanischen Psychologen Laurence J. Peter. Dieses besagt, dass jeder so lange aufsteigt, bis er unfähig ist. „In unserer Gesellschaft wird man befördert, so lange man gut ist. Bis man auf einer Position angekommen ist, auf der man nicht mehr so gut ist – und dann wird man nicht mehr befördert, sondern bleibt dort“, so Regele, und kennt auch den Grund dafür: „In unserer Kultur geht ein Rückschritt nicht.“

Fachkompetenz ist nicht genug

Was vor allem dann ein Problem sei, wenn bei der Beförderung das Spannungsfeld von Fachkompetenz versus Führungskompetenz nicht ausreichend beachtet worden ist. „Es passiert leider immer wieder, dass extrem gute Fachleute in Führungspositionen gesteckt werden, die nicht gelernt haben, zu führen“, so Regele. „Und nicht alle wachsen mit der Aufgabe – und dann sind sie weder in der einen noch in der anderen Rolle gut.“

WEITERE INFOS

Buchtipp:

„Kalte Fische – Warum wir Top-Jobs mit Top-Flops besetzen“, Leopold Hüffer, Frankfurter Allgemeine Buch, gebunden, 216 Seiten; 24,90 Euro

Seminaranbieter (Auswahl)

www.hernstein.at

www.postgraduate.at

www.businesscircle.at,

www.smbs.at

www.limak.at, www.ifm.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.10.2013)

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