Der Einfluss der Sozialpartner ist selbst nach 50 Jahren groß, auch wenn sich intern die Konfrontationen mehren.
Bei den Regierungsverhandlungen sitzen sie in prominenter Besetzung mit am Verhandlungstisch, gleichzeitig spitzt sich der Arbeitskampf um die Metallerlöhne zu: Das Bild, das die Sozialpartner in diesen Oktobertagen bieten, ist durchaus symptomatisch. In der Bundespolitik sprechen sie seit der Kanzlerschaft von Werner Faymann Ende 2008 kräftig mit. Im ureigensten Gebiet, wenn es die Interessen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern betrifft, werden die Töne und Auseinandersetzungen angesichts des steigenden internationalen Wettbewerbsdruck in der Wirtschaft zusehends rauer.
Trotz mancher Erosionserscheinungen in der Partnerschaft und oft mühsamer Kompromisse ist der Einfluss der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände auf die Politik schier unverwüstlich. Kaum ein nennenswerter Gesetzesbeschluss ohne deren vorherigen Sanktus, wenn nicht – Beispiel Rot-Weiß-Rot-Karte für ausländische Zuwanderer – die Eckpunkte dafür gleich von dort und nicht aus einem Ministerium stammen.
Seit einem guten halben Jahrhundert besteht die Wirtschafts- und Sozialpartnerschaft, in der nun die großen Interessenorganisationen (Wirtschafts-, Arbeiter- sowie Landwirtschaftskammer und Gewerkschaftsbund) freiwillig zusammenarbeiten. Grundsätzliches Ziel: die bessere Bewältigung sozial- und wirtschaftspolitischer Herausforderungen. Was bei der „Geburtsstunde“ 1957 mit einer einfachen Abmachung zwischen den Chefs der Handelskammer, Julius Raab, und des ÖGB, Johann Böhm, über die Paritätische Lohn- und Preiskommission begann, wurde zu einem dauerhaften Machtfaktor in der Republik.
Für die Österreicher waren damit vor allem die Jahre des Wirtschaftsaufschwungs verbunden. Wohl auch deswegen wurde die Sozialpartnerschaft als bewährtes Instrument der Konfliktvermeidung betrachtet.
Auch wenn es sich formal bloß um Empfehlungen der Sozialpartner beziehungsweise ihrer Präsidenten handelte, so hatten diese Ratschläge, die hinter verschlossenen Türen ausgehandelt wurden, politisch großes Gewicht auch für die jeweiligen Regierungen. Für dieses System standen rund um die Siebzigerjahre vor allem die Namen der zwei Langzeitpräsidenten, Rudolf Sallinger in der Wirtschaftskammer und Anton Benya im ÖGB.
Vertrauenskrise. Nach dem Ende dieser Ära führten vor allem die Affären um die Bezüge in der Arbeiterkammer – Stichwort Rechberger – in den Neunzigerjahren und die Kritik an Demokratiedefiziten der „Schattenregierung“ zu einer Vertrauenskrise. Mit dem schwindenden Einfluss des ÖGB und der Arbeiterkammer während der schwarz-blauen Regierung wankte ein Pfeiler. Aber nicht einmal das Finanzfiasko um die damalige gewerkschaftseigene Bank Bawag brachte 2006 die Sozialpartnerschaft zum Einsturz. ett
("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.10.2013)