Vom Ring zum Känguru

Sound of Music
Sound of Music(c) ORF (Dimo Dimov)
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Auf Bergen singen oder in die Kanalisation kriechen? Weltkino made in Austria: Wie sind die Österreich-Bilder in hierzulande gedrehten Klassikern?

Als die Gebrüder Lumière nach ihrer ersten Kinovorführung 1895 Kameraleute mit ihrem Cinématographe in alle Welt schickten, um eine Minute lange Aktualitäten aufzunehmen, wurde auch einer nach Österreich entsandt – und drehte etwa eine Einstellung vom Trubel auf der Wiener Ringstraße, die als „Le ring“ (1896) überliefert ist. Selten wurde unser Heimatland im internationalen Kino seither so unverfälscht präsentiert, das zeigt ein kleiner Streifzug durch große und kleine Klassiker der Filmgeschichte made in Austria.


Salzburger Hügel.
Bestes Beispiel ist der Film, der bis heute unser globales Image prägt: „The Sound of Music“ (1965) war einer der größten Kassenerfolge weltweit – außer im deutschen Sprachraum. (Aus gutem Grund ist der Originaltitel berühmt, aber nicht der deutsche: „Meine Lieder, meine Träume“.) In Zeiten politischer Umwälzung war das eskapistische Musical-Epos mit Julie Andrews nach Rodgers und Hammerstein der Inbegriff familienfreundlicher Unterhaltung. Als Bastion der heilen Welt diente die kinderreiche Trapp-Familie, die sich singend dem Bösen (in Gestalt der Nazi-Herrschaft nach dem Anschluss) entzog.

Alle NS-Anspielungen wurden übrigens in der deutschen Version erst vorsorglich eliminiert, um nur ja nicht die Schmackhaftigkeit des Zuckerguss-Bombastes mit historischen Erinnerungen zu vergällen: 20th Century Fox erwirkte eine Wiedereinfügung, doch das Musical blieb im deutschen Sprachraum im Schatten der Fünfzigerjahre-Heimatfilme über „Die Trapp-Familie“. Der Rest der Welt sieht in „The Sound of Music“ dagegen den Hauptgrund für Salzburg-Tourismus. Regisseur Robert Wise hatte nach „West Side Story“ die reibungslose Konstruktion von Entertainment-Konfektion perfektioniert, speziell seinen Umgang mit der – dem Produktionsvolumen angemessenen – Dimension. Ob historische Prachtbauten oder grüne Salzburger Hügel vor imposanter Alpenkulisse („The hiiiills are alive with the sound of music...“): Nie wieder wurde mit heimischer Landschaft und Architektur so viel Eindruck geschunden – auch wenn manches im US-Studio nachgebaut wurde.

Wiener Prater. Ebenfalls in Hollywood-Studios nachgebaut wurde schon der Wiener Prater – als prägende Jugenderinnerung von zwei altösterreichischen Regiemeistern in großen Stummfilmen. Detailfetischist Erich von Stroheim überschritt aber bei „Merry-Go-Round“ (1923) das Budget und wurde ersetzt, Josef von Sternbergs „The Case of Lena Smith“ (1929) ist verschollen – bis auf ein vierminütiges Fragment.

Prägend für das Image des Praters und Wiens ist ohnehin Carol Reeds „The Third Man“ (1949): Neben „The Sound of Music“ ist kein Film so ausschlaggebend für das internationale Österreich-Bild geblieben, auch wenn die dunkle Nachkriegsschwarzmarkt-Geschichte nach Graham Greene gegensätzliche Töne anschlägt. Für den von Orson Welles gespielten (und von Anton Karas' Zither begleiteten) Schurken Harry Lime geht es bezeichnenderweise vom Riesenrad in die Kanalisation. Dennoch wie Wises Musical ein touristischer Endlos-Dauerbrenner, wie etwa die Dritte-Mann-Tour belegt.


Untergründiges. Auch wenn tschechische TV-Serien wie „Pan Tau“ den Prater als Kirmes-Schauplatz bevorzugten, liegt der zwielichtige Schatten des „Dritten Mannes“ über vielen späteren Produktionen. Welles zeigte im komischen Kurzfilm „Vienna“ 1968 die heimische Hauptstadt als Agententreff, während Italo-Reißer dort eine Mördergrube fanden: Den schönen Sadomaso-Giallo „La strano vizio della Signora Wardh“ (1971) machte man auf Deutsch zum „Killer von Wien“ – dafür hieß das Metzgergemetzel „Lo strangolatore di Vienna“ (1971) bei uns „Der Würger kommt auf leisen Sohlen“!

In Fred Zinnemanns Attentatskrimi „The Day of the Jackal“ (1972) treffen sich OAS-Untergrundkämpfer im Prater, selbst James Bond fuhr in „The Living Daylights“ (1987) eine romantische Riesenradrunde: eine Hommage von Regisseur John Glen, der mit 17 Jahren im „The Third Man“-Team war.

Bürgermeister Helmut Zilk sagte dem 007-Team Unterstützung zu und scherzte, notfalls könne es „auch die U-Bahn in die Luft sprengen“. Die hatte da schon memorable Auftritte hingelegt: Im Killer-Thriller „Scorpio“ (1973) jagen Burt Lancaster und Alain Delon durch die U-Bahn-Baustelle am Karlsplatz, Regisseur Michael Winner – der in „Hannibal Brooks“ (1969) einen Elefanten über Vorarlbergs Alpen geschickt hatte – bot auch einen Zither-Tribut an den „Dritten Mann“. Und Clint Eastwood drehte zweimal hier: Sein Kalter-Krieg-Actionfilm „Firefox“ (1982) gab den Wiener Jugendstil von Otto Wagners U-Bahn-Stationen amüsanterweise als Moskaus Metro aus.


Höhenflüge. „Hoch im urzeitlichen Paradies der österreichischen Alpen“ heißt es hingegen im Werbefilm zu „Where Eagles Dare“ (1968), einem Kriegsepos mit Eastwood und Richard Burton über eine Befreiungsaktion aus einer fiktiven Wehrmachtzentrale namens Schloss Adler, für das die Salzburger Festung Hohenwerfen einstand.

Von Alfred Hitchcocks verlorenem Ötztal-Stummfilm „The Mountain Eagle“ (1927) bis zur britischen Zillertal-Version von Agatha Christies „Ten Little Indians“ (1965) zog es Filmemacher immer wieder in Österreichs Berge, Indiens Bollywood beehrt noch heute gern Tirol. Nicht zuletzt Skigebiete haben einen besonderen Reiz: Schon die Beatles wurden für „Help!“ (1965) in den Obertauern auf Bretter gestellt, Robert Redford besucht als Skirennfahrer in „Downhill Racer“ (1969) auch Kitzbühel, und im Spionagefilm „The Double Man“ (1967) will Yul Brynner den Mord seines Sohns beim Skilaufen rächen, Seilbahn-Showdown inklusive.

Noch verrückter geht es natürlich mit Klaus Kinski: Im Actionfilm „The Soldier“ (1982) von Billig-Action-Genie James Glickenhaus lässt Kinski sein Opfer in St.Anton in eine Seilbahngondel sperren und mit einer Rakete beschießen. Als dem dennoch die Flucht gelingt, führt eine Skiverfolgungsjagd bis zur tödlichen Auseinandersetzung in einer Après-Ski-Bar mit dem unvergesslichen Namen „Krazy Kanguruh“. Man weiß leider nicht genau, wie viele Zuseher infolgedessen Österreich mit Australien verwechselt haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.10.2013)

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