"Am Ende geht es darum, reich zu werden"

Martin Vasko
Martin VaskoJeannine Hierländer
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Viele Österreicher versuchen, im Silicon Valley Fuß zu fassen und ein Unternehmen aufzubauen. Doch die Suche nach Investoren ist hart. Ohne die Bereitschaft, sparsam zu leben, geht gar nichts.

Das Silicon Valley ist in vielerlei Hinsicht anders. Zum Beispiel, sagt der Unternehmer Dennis Zimmer, sei es hier kein Problem, wenn man zu spät zu einem Geschäftstermin komme – weil hier jeder auf das Auto angewiesen ist und Verständnis hat, wenn der Verkehr stockt. „Wegen zehn Minuten schreibt man nicht einmal ein SMS“, so der 35-Jährige, der seit Juli in Kalifornien ist, um Investoren für seine Softwarefirma Opvizor zu finden. Seit er hier ist, hat er ein Treffen nach dem anderen. Das Angebot ist reichlich – das Silicon Valley ist eine einzige große Networking-Party.

Was die kalifornische noch von der alpenländischen Geschäftswelt unterscheidet: „Es sagt einem hier niemand offen, dass das, was du machst, uninteressant ist.“ Stattdessen hört man „amazing“ und „great“ – und weiß dann doch recht schnell, woran man ist: Wenn man nämlich nichts mehr von seinem potenziellen Geschäftspartner hört. Wer einen Investor findet, hat Glück. Viele kommen ins Silicon Valley, um aus einer Idee das große Geld zu machen – und werden schnell enttäuscht. „Es ist eine Fehlannahme, dass man hier ohne etwas zu sehr viel Geld kommen kann“, sagt der Schweizer, dessen Firma in Österreich sitzt. „Viele nehmen sehr viel privates Geld in die Hand oder leben spartanisch.“

Das spartanische Leben kennt Alex Pinter gut. „Wir haben eine schwere Zeit hinter uns“, sagt der 36-jährige Kärntner, der gemeinsam mit seinem Vater und einem Team die Firma „Trayn.com“ aufbaut. Seit 2010 arbeitet er Vollzeit für seine Firma – eine Software, mit der Profitrainer maßgeschneiderte Trainingsprogramme für Spitzensportler erstellen und verwalten können. In den letzten drei Jahren habe er „am Existenzminimum“ gelebt, sagt Pinter. Und viel Geld investiert: Eine „stolze sechsstellige Summe“ sei in das Projekt geflossen.

Pinter kam im Jahr 2010 mit dem „Go Silicon Valley“-Programm der Wirtschaftskammer nach Kalifornien, das auch Dennis Zimmer ins Valley brachte. Mittlerweile verbringt Pinter vier bis fünf Monate im Jahr in den USA. Das Wichtigste im Silicon Valley sei ein gutes Netzwerk, sagt Pinter. Und zwar offline wie online: Ohne LinkedIn oder Facebook läuft hier gar nichts.

Wie Pinter hat auch Marcel Wassink schon eine ganze Menge Geld in seine Firma gesteckt – etwa eine halbe Million Euro, erzählt der Niederländer, der viele Jahre Manager in Österreich war, bevor er im Silicon Valley landete. Nun will er sein eigenes Unternehmen aufbauen, die Veranstaltungsapp „Superevent“. Wassink hat Büros in Österreich und den Niederlanden, jetzt wolle er ein „globales Business“ aufbauen. Wenn er über sein neues Leben als Unternehmer spricht, dann wie ein Kind, das aufgeregt und neugierig von seinem ersten Schultag erzählt. Wassink schwärmt davon, wie unkompliziert man hier Kontakt zu „wichtigen“ Leuten aufnehmen könne. Er erzählt, wie er unbedingt mit einem Manager der Firma „Evernote“ sprechen wollte, der aber nicht auf seine E-mails antwortete. „Also bin ich einfach hingefahren und reinmarschiert.“


Neuanfang. Wassink hat alles an den Nagel gehängt, um noch einmal von vorne anzufangen. „Ich war ein verwöhnter Chef, mit Rechtsabteilung und einer Sekretärin. Jetzt muss ich alles selbst machen.“ Das stört ihn aber ganz und gar nicht. Im Gegenteil. Er überlegt sogar, ein Haus zu kaufen und seine Familie nachzuholen. „Ich habe die Zeit meines Lebens. Viele meiner früheren Kollegen beneiden mich.“

Martin Vasko hatte weder Sekretärin noch Finanzabteilung, bevor er ins Silicon Valley kam. Der Informatiker gründete 2012 die Firma „Expressflow“, mit der er Daten im Internet verschlüsselt. „Die NSA-Geschichte ist mir entgegen gekommen. Jetzt muss ich niemandem mehr erklären, wieso Verschlüsselung sinnvoll ist“, sagt der 32-jährige Wiener. Sein „Büro“ – ein Schreibtisch im Großraumbüro – hat er im „NestGSV“ in Redwood City, einem Inkubator für Start-ups. In der rund 6500 Quadratmeter großen Anlage sind rund 85 Firmen aus zehn Ländern untergebracht. Eine Handvoll Tische ist mit Österreichern besetzt, sie alle sind Teilnehmer von „Go Silicon Valley“.

Ein Schreibtisch im „Nest“ kostet 550 Dollar (402 Euro) im Monat. Hier werden Unternehmer mit Investoren zusammengebracht, regelmäßig finden Veranstaltungen zum Thema Unternehmesgründung statt. Es gibt eine Cafeteria, einen Tennisplatz, Konferenz- und Veranstaltungsräume. Und natürlich die obligatorische Rutsche. Kreativität braucht schließlich Freiraum. Als Teilnehmer von „Go Silicon Valley“ bekommt Vasko den Arbeitsplatz für drei Monate bezahlt. Abgesehen davon muss er für alles selber aufkommen. Er hält daher seinen Lebensstandard so niedrig wie möglich. Vasko schätzt es, dass man im Silicon Valley schnell Kontakte knüpft. Aber er weiß auch: „Es wartet keiner auf dich. Zu Geld zu kommen, ist nicht einfach. Investoren sind gut behütet.“


Speeddating. Wie gut, das weiß Florian Brody. Der gebürtige Österreicher lebt seit 15 Jahren im Silicon Valley, erst als Unternehmer, heute als Berater, der heimische Firmen beim Sprung ins Silicon Valley unterstützt. Bekannte Investoren bekämen tausende Businesspläne im Jahr zugeschickt, nur in wenigen Fällen kommt es tatsächlich zu einem Investment. Die meisten Investoren, sagt Brody, würden überhaupt nur mit Leuten reden, die ihnen persönlich von jemandem vorgestellt werden, den sie kennen und schätzen. Das Netzwerken im Silicon Valley sei „schlimmer als Speeddating“, so Brody: „Man schaut, ob einem der Kontakt etwas bringt, und wenn nicht, geht man.“

Er warnt davor, überstürzt ins Silicon Valley aufzubrechen. „Es ist nicht so, dass, wenn ich ein Start-up in Österreich gründe, der nächste automatische Schritt ist, in die USA zu gehen. Es muss nicht jeder herkommen.“ Das lohne sich nämlich nur, wenn sich das Produkt für einen großen Markt eigne. Nur dann habe die Firma eine Chance, gekauft zu werden – und der Gründer, zu viel Geld zu kommen. Und das sei es schließlich, was man hier erreichen wolle, so Brody: „Am Ende geht es darum, reich zu werden.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.10.2013)

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