Italiens Preußen und Österreichs Sizilien

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Seit über 90 Jahren gehört Südtirol zu Italien. Gerade bei Sprache, Kultur und Kulinarik ist die Vergangenheit spürbar. Viel Tirol und ein bisschen Österreich sind südlich des Brenners immer noch präsent.

Wenn sich Elmar Thaler in Bozen in den Zug setzt und sich die Räder langsam Richtung Norden bewegen, dann freut er sich. Bald ist er „dahoam“, wie er es nennt. Pünktlich für den Nationalfeiertag will er in Wien sein, auf dem Heldenplatz stehen und sich die Leistungsschau des Bundesheers ansehen. Denn der 26. Oktober ist schließlich auch sein Feiertag, findet er.

Vom Gefühl her ist er das vielleicht. Rein rechtlich allerdings nicht. Denn auf Thalers Ausweis steht „Repubblica Italiana“. Für den 38-Jährigen hört mit den Papieren die Identifikation mit Italien allerdings schon auf. Und er geht einen Schritt weiter: „Für mich gibt es Südtirolerisch nicht. Wenn, dann heißt das Tirolerisch.“ Südtirol gebe es schließlich erst seit rund 90 Jahren.

Seine Einstellung überrascht allerdings nicht. Denn Thaler ist nicht irgendjemand. Als Landeskommandant der Südtiroler Schützen ist „die Verteidigung der Tiroler Identität“ seine Aufgabe. Doch wie viel Österreich steckt tatsächlich noch in Südtirol?


Landtag wird gewählt.
Zu einem Teil wird diese Frage am Sonntag beantwortet, wenn Südtirol seinen Landtag wählt. Denn die rechtspopulistischen Parteien, allen voran die Freiheitlichen, wollen sich von Italien abspalten. 14 Prozent der Stimmen erreichten sie mit diesem Wahlversprechen im Jahr 2008. Am Sonntag könnten sie noch kräftig zulegen.

Dass auch einige junge Südtiroler los von Rom wollen, erklärt sich Igor Guizzardi, Ex-Vorsitzender des Südtiroler Jugendrings, vor allem mit der Finanzkrise. „Viele haben Zukunftsängste. Sie sehen, dass Italien mehr Probleme mit der Wirtschaft hat als die deutschsprachigen Länder.“ Daher würden sich viele fragen, ob es noch Sinn habe, zu Italien zu gehören.

Der 24-jährige Guizzardi gehört allerdings nicht dazu. Im Gegenteil. Wie bei den meisten Jungen sei auch bei ihm der internationale Gedanke viel ausgeprägter als der nationale. „Als Minderheit ist man viel europafreundlicher als ,normale‘ Staatsbürger.“ Ältere Generationen würden sich stärker mit Österreich identifizieren. Junge hingegen würden das Land eher während ihrer Studienzeit kennenlernen, in Wien, Graz oder Innsbruck.


„Austrifiziert“ durch den ORF.
Genau durch diese Studienjahre würde vieles an Kultur und Verhaltensweisen nach Südtirol zurückfließen, meint auch Günther Pallaver, Südtiroler Professor für Politikwissenschaften an der Uni Innsbruck.

Aber es gebe noch einen weiteren zentralen Grund, warum Österreich immer noch präsent sei: den ORF. „Seit fast 40 Jahren wird er ganz offiziell in Südtirol empfangen. Dadurch gab es eine Austrifizierung.“ Bei dem Medienkonsum der Südtiroler stünden die TV-Sender des ORF sowie der Radiosender Ö3 ganz weit oben. Außerdem gibt es auch eine eigene Sendung: „Südtirol heute“, mit einer eigenen Redaktion in Bozen. Jedenfalls seien immer noch zwei Welten spürbar: „Wir sind einerseits die Preußen Italiens, andererseits die Sizilianer Österreichs.“ Werthaltungen wie eine strenge Arbeitsmoral würden wohl von nördlich des Brenners kommen. Aber es schwebe auch immer eine gewisse Leichtigkeit mit, als Einfluss aus dem Süden.

Diese Leichtigkeit, das bestätigt auch der Südtiroler Liedermacher Markus Dorfmann, spüre man vor allem bei den Behörden. Dorfmann hat zehn Jahre lang in Österreich studiert, jetzt singt er im Dialekt und unter anderem auch über die Südtiroler Mentalität. „In Österreich hat man zum Beispiel bei der Polizei eine Strafe sofort zahlen müssen. Hier kann man immer verhandeln.“

Davon abgesehen gebe es einige Punkte, die die Gegenden nördlich und südlich des Alpenkamms gemeinsam hätten: „Das Essen zum Beispiel. Immer ein bisschen Butter, ein bisschen Fett. Das haben wir von den Österreichern.“ Auch die Sprache sei ähnlich – zumindest dem Tirolerischen. Denn in Wien würde den Südtiroler Dialekt kaum jemand verstehen. „So gesehen sind wir Tiroler.“ Aber auch die sind schließlich von Wien meilenweit entfernt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.10.2013)

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