Österreichs Diplomatie: Wenn bloß die Regierung nicht wäre

Mann mit Aktentasche
Mann mit AktentascheClemens Fabry
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Ob in der Europäischen Union, der UNO oder anderen internationalen Organisationen: Österreichs Diplomatie hat einen guten Ruf. Minister und Kanzler hingegen gelten als opportunistisch und inhaltsschwach.

Es liegt mit Sicherheit nicht an der Qualität des Kaffees, dass auffällig viele Journalisten aus Deutschland und der Schweiz die Briefings der Ständigen Vertretung Österreichs in Brüssel frequentieren – der Inhalt der braunen Thermoskanne im Eck des schmucklosen Konferenzraums in der Avenue de Cortenbergh 30, unweit des Hauptquartiers der EU-Kommission, kommt nämlich aus einer gewöhnlichen Filterkaffeemaschine. Die hohe Besucherzahl bei Presseterminen im Vorfeld von EU-Gipfeln und Treffen der Finanzminister hängt vielmehr mit der Person des Gesandten Gerhard Lerchbaumer zusammen, der für den Themenbereich Finanz zuständig ist und die hochkomplexe Materie mit trockenem Humor in ihre Einzelteile zerlegt. „Die österreichischen Briefings sind ein Lichtblick, bei den Deutschen geht es langweiliger zu“, sagt der Brüsseler Korrespondent einer Schweizer Tageszeitung.

Die österreichische Diplomatie kann auf eine glorreiche Vergangenheit zurückblicken. Die Heiratspolitik der Habsburger im 15. und 16. Jahrhundert – Stichwort tu felix Austria nube – ist heute nach wie vor ein Begriff, ebenso wie der Wiener Kongress, das 1814 in Wien aufgeführte Konzert der Großmächte, dessen Dirigent Fürst von Metternich war. Auch auf die effiziente Verwaltung der vielsprachigen Donaumonarchie beruft man sich in Wien immer noch gern. Für die österreichischen Diplomaten und Beamten, die Richtung EU-Hauptstadt aufbrechen, sind das willkommene Vorbilder.


Geschätzte 700 Österreicher sind momentan in den Institutionen der Europäischen Union beschäftigt – angefangen bei dem für Regionalpolitik zuständigen EU-Kommissar Johannes Hahn über Thomas Wieser, den obersten Sherpa der Euro-Gruppe, bis hin zu den zahlreichen österreichischen Beamten in diversen Sekretariaten und Abteilungen in Rat, Europaparlament und EU-Kommission. Sie gelten als fachlich versiert, effizient und gut vernetzt – ein unschätzbarer Wert für diverse österreichische Interessenvertretungen. „Man wird regelmäßig zum Gedankenaustausch eingeladen“, berichtet ein österreichischer Ratsbeamter, der im Kontakt mit seinen Landsleuten in Brüssel auf „interinstitutionelles Geschnörksel“ verzichtet. Doch zuallererst sei man „den Institutionen verpflichtet“.

Ein zufriedenstellender Zustand, könnte man meinen – wäre da nicht die Regierung in Wien. Wer sich nämlich nach dem österreichischen Standing auf der europäischen Bühne erkundigt, bekommt als Erstes Wehklagen über die korrosive Wirkung diverser Regierungsvertreter zu hören. „Österreich fällt vor allem durch Opportunismus auf“, sagt ein österreichischer Beamter in der EU-Kommission, der anonym bleiben möchte. „Solange die globale Finanzkrise Österreich verschonte, hielt man sich nobel zurück. Als dann die RZB wackelte, wurde lautstark Solidarität eingefordert.“ Auch bei den Verhandlungen über das Budget der Union, den mehrjährigen Finanzrahmen 2014–2020, sei Wien als absoluter Hardliner in Erscheinung getreten – wohl nicht zufällig eine Position, die von den größten Boulevardblättern des Landes lautstark eingefordert wurde.

Fekters Logorrhö.
Dass Finanzministerin Maria Fekter mit einer griffig formulierten, unnachgiebigen Haltung innenpolitisches Kleingeld sammeln konnte, ist eine Sache – in Brüssel hat sie sich damit einen Ruf als unguided missile der europäischen Finanzpolitik erworben. „Maria Fekter liefert markige Sprüche, die man allerdings nachher unbedingt auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen muss“, sagt Tomasz Bielecki, langjähriger EU-Korrespondent der polnischen Tageszeitung „Gazeta Wyborcza“, der die Kommunikationspolitik der Finanzministerin mit „Logorrhö“ assoziiert. Die Folge: Fekter gilt in Brüssel als sichtbarste österreichische Politikerin, die inhaltliche Substanz Österreichs ist hingegen dürftig – und das ist noch vorsichtig formuliert. So fällt dem Presseattaché eines großen EU-Mitglieds auf Nachfrage keine einzige österreichische EU-Initiative ein.
Hannes Swoboda ist anderer Meinung – als ranghöchster österreichischer Europaabgeordneter eine wenig verwunderliche Haltung. „Die Stellung Österreichs hat sich zuletzt verbessert“, sagt der Fraktionsvorsitzende der europäischen Sozialdemokraten zur „Presse“, und zu verdanken habe man das der guten wirtschaftlichen Entwicklung und der niedrigen Arbeitslosigkeit. Doch auch Swoboda hält die Kooperation mit EU-Partnern für „verbesserungswürdig“: „Man bringt seine eigenen Interessen besser durch, wenn man sich bei anderen engagiert.“

Doch zurück zu dem eingangs erwähnten Kaffee. Als einer der klügsten Schachzüge Österreichs hat sich rückblickend betrachtet die Entscheidung erwiesen, während der EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2006 das Buffet für Journalisten im Erdgeschoß des Brüsseler Ratsgebäudes Justus Lipsius zu renovieren – das Café Autriche ist der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich alle in Brüssel ansässigen Korrespondenten einigen können, wenn sie nach den Ergebnissen des EU-Vorsitzes Österreichs gefragt werden. Doch selbst dieser gute Ruf hat mittlerweile Schaden nehmen müssen: Seit die Kantine im Sommer 2013 einen neuen Pächter hat, häufen sich die Beschwerden über einen massiven Teuerungsschub. Wer an der Bar einen kleinen Mokka bestellt, muss mittlerweile zwei Euro berappen – ein Preisanstieg um satte hundert Prozent. Einziger Trost: Der Kaffee kommt nach wie vor aus einer professionellen Espressomaschine.

Wichtige Arbeit in New York. Exzellente Diplomaten, abwesende politische Führung: Dieser Befund prägt auch Österreichs Auftreten in der UNO in New York sowie bei Weltbank und Internationalem Währungsfonds in Washington. 2009 und 2010 habe Österreich zum Beispiel im UN-Sicherheitsrat wichtige Arbeit bei der Reform der internationalen Liste der Sanktionen gegen mutmaßliche Mitglieder von Terrororganisationen geleistet. Wie es in der EU einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs entspricht, müssen fälschlich mit solchen Sanktionen belastete Menschen und Organisationen nun auch gegenüber dem Sicherheitsrat ein rechtliches Mittel haben, um von der Liste gestrichen zu werden. Auch für die Arbeit zur Fortsetzung der Kriegsverbrechertribunale für die Balkan-Kriege und den Völkermord in Ruanda erntet das damalige Team an der österreichischen UN-Botschaft in Manhattan unter Botschafter Thomas Mayr-Harting von vielen Seiten Lob. Ihn schätzt man auch in Brüssel: Seit Oktober 2011 leitet er das Büro der EU-Delegation bei der UNO, ist also die Stimme der EU in den Vereinten Nationen.
Auch bei Weltbank und IWF schätzt man die Sachkenntnis und das Verhandlungsgeschick von Österreichs Finanzdiplomaten – allen voran Johann Prader, der die Republik beim Fonds vertritt. Doch die politische Führung im Außen- und Finanzministerium glänzt durch Ideenlosigkeit und Abwesenheit. Außenminister Michael Spindelegger blieb der heurigen UN-Generalversammlung gänzlich fern. Das lag natürlich daran, dass die Nationalratswahl mitten in die Tagung fiel. Ein geschickter Wahlkämpfer wüsste allerdings sehr wohl, von der glanzvollen New Yorker Weltbühne aus gleichsam „über die Bande“ staatsmännische Botschaften an die Heimat zu schicken. Zudem ist Spindelegger, anders als der umtriebige und ausgezeichnet vernetzte Schwede Carl Bildt, bei internationalen Beobachtern so gut wie unbekannt. Finanzministerin Maria Fekter wiederum blieb der heurigen Herbsttagung von IWF und Weltbank ebenso fern wie Staatssekretär Andreas Schieder: Die Koalitionsverhandlungen hatten Vorrang.

„Neutralitätsnostalgie“.
„Insgesamt fehlt in den vergangenen Jahren die große Vision, und der Lack, der unter Kreisky noch dick aufgetragen war, ist schon ziemlich abgebröckelt“, findet Marianne Schulze, Vorstandsmitglied der Österreichischen Liga für Menschenrechte. Sie hat bei der Arbeit an Resolutionen engen Kontakt mit der UN-Bürokratie in New York und nimmt regelmäßig an  den Generalversammlungen teil. „Es wird nach wie vor von einer aus dem Kalten Krieg stammenden Neutralitätsnostalgie gezehrt“, gibt Schulze zu bedenken. „Der Windschatten des Wiener Kongresses gibt immer noch etwas für Folkloremanöver her, bei denen das Feiern im Vordergrund steht.“
So ist das auch im Jahr 2013: Die „Austrian Happy Hours“ in Washington sind ein stets extrem gut besuchter Geheimtipp in der hiesigen Diplomatenszene. Und wenn der Getränkehersteller Red Bull in der Botschaft zur Party lädt, ist der Massenandrang kaum zu bändigen.

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