Wir Bürger müssen es den Datensammlern schwerer machen

Der Kampf für eine bessere juristische Absicherung unserer Privatsphäre ist notwendig und wichtig. Noch wichtiger ist es, Daten nicht leichtfertig herzugeben.

Seit bekannt wurde, dass die NSA das Mobiltelefon von Bundeskanzlerin Angela Merkel abgehört hat, sind die Enthüllungen über die umfassenden Spionageaktivitäten der NSA, die durch den ehemaligen NSA-Mitarbeiter Edward Snowden und seinen Vertrauten, den Noch-„Guardian“-Kolumnisten Glenn Greenwald, öffentlich gemacht wurden, in Deutschland causa prima.

Man weiß, dass Frau Merkel das Land seit Jahren de facto per Mobiltelefon regiert. Es anzuzapfen heißt, die Nervenbahnen des deutschen Machtorganismus offenzulegen. (So viel man bisher weiß, wurde das Mobiltelefon des österreichischen Bundeskanzlers Werner Faymann nicht abgehört. Das ist an sich eine schlechte Nachricht, denn es zeigt, dass hinter der NSA-Aktion ein rationales Kalkül steht.)

Man darf davon ausgehen, dass die Informationen über die Merkel-Abhöraktion nicht zufällig zum jetzigen Zeitpunkt erfolgen, so wie die ganze NSA-Berichterstattung des „Guardian“ und seiner Partnermedien mindestens ebenso sehr aktivistischen wie journalistischen Prinzipien folgt. Deutschland ist jetzt also wieder NSA-alarmiert. Das war es auch nach den ersten Enthüllungen Snowdens und Greenwalds im Juni. Danach ebbte die Welle der Empörung allerdings wieder ab.

Das fanden die Anti-Überwachungs-Aktivisten aus nachvollziehbaren Gründen nicht so gut. Also haben sie jetzt ein Detail aus ihren Datenschatzkästen ausgelassen, das Empörung und andere Emotionen garantiert. Es gibt genug Ungereimtheiten, an denen sich die Nichteingeweihten jetzt fürs Erste abarbeiten können: Wie war es möglich und was sagt es über die Qualität der deutschen Dienste, dass die Amerikaner offensichtlich elf Jahre lang unbemerkt und unbehelligt bei ihrer Kanzlerin mithören konnten?

Was genau wollen uns eigentlich jene deutschen Politiker sagen, die jetzt empört erklären, man dürfe befreundete Regierungschefs nicht ausspionieren, zugleich aber – Stichwort Vorratsdatenspeicherung – Gesetze und Richtlinien beschließen, mit denen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass genau das mit den eigenen Bürgern passiert?

Es ist damit zu rechnen, dass die Inhaber der NSA-Informationen – Snowden, Greenwald & Co. – weiterhin genau das machen, was auch die ursprünglichen Auftraggeber damit gemacht haben: Politik.

Das macht die Sache besonders spannend – und es unterstreicht, wie sehr es in dieser Frage um die Rechte, aber auch um die Verantwortung des einzelnen Bürgers und Medienkonsumenten geht. So sehr man das altgediente Motto der staatlichen Überwacher – „Wer nichts zu verbergen hat, hat nichts zu befürchten!“ – zurückweisen muss, so sehr man sich juristisch und politisch dagegen wehren muss, dass der Staat seine Bürger unter Generalverdacht stellt, so sehr muss auch klar sein: Ob die kommerziellen und geheimdienstlichen Datensammler von einem etwas kriegen und wie viel, entscheiden in erster Linie wir selbst.

Es ist ziemlich naiv, transparente Geheimdienste zu fordern oder No-spy-Abkommen zwischen befreundeten Staaten – wer sagt, dass die Freunde von heute nicht die Feinde von morgen sind? – für die Lösung zu halten. Und es wäre naiv zu glauben, dass strengere Datenschutzregeln, so wünschenswert sie sind, in der Lage sein werden, den kommerziellen und politischen Missbrauch zu verhindern. Dazu sind die Gewinnaussichten einfach zu gigantisch.

Mindestens so wichtig wie neue Regeln zum Datenschutz, wahrscheinlich viel wichtiger ist die großflächige Information darüber, wie der und die Einzelne sich schützen können. Die großen Datensammler leben davon, dass sich die Bürger nicht die Mühe machen, das, was sie für die Verschlüsselung und Sicherung ihrer Kommunikation mit relativ einfachen Mitteln tun können, auch tatsächlich tun.

Wenn nicht alles täuscht, gilt das auch für die Bürgerin Angela Merkel.

E-Mails an:office@michaelfleischhacker.at

Zum Autor:

Michael Fleischhacker (*1969) arbeitete als
Journalist bei der
„Kleinen Zeitung“
und beim „Standard“, ab 2002 bei der „Presse“.
Von 2004 bis 2012 war er Chefredakteur der „Presse“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.10.2013)

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