Spionieren unter Freunden

Barack Obama ist ja sonst nicht um Worte verlegen – zumindest nicht, wenn er vor zahllosen Zuschauern laut wiedergibt, was er zuvor mit seinen Redenschreibern bis ins kleinste Detail geplant hat.

Barack Obama ist ja sonst nicht um Worte verlegen – zumindest nicht, wenn er vor zahllosen Zuschauern laut wiedergibt, was er zuvor mit seinen Redenschreibern bis ins kleinste Detail geplant hat.

Welche Worte er wohl gefunden haben mag, um der deutschen Kanzlerin Angela Merkel zu erklären, warum sie „Aufklärungsziel“ des US-Geheimdienstes NSA war? War es ein: „Angela, ich habe wirklich nichts gewusst“? Oder nur ein ins Telefon gehauchtes „Sorry!“, das über die (abhörsichere?) Leitung aus Washington in Berlin eintraf? Vielleicht gepaart mit dem Geständnis: „Yes, we did! Aber wir werden es nicht wieder tun!“

Nach außen hin behauptet die US-Regierung jedenfalls, Obama habe keine Kenntnis von der Bespitzelung Merkels gehabt. Und hätte er davon gewusst, hätte er das sofort gestoppt. Das erscheint wenig glaubwürdig – vor allem angesichts neuer Berichte, wonach Merkel seit 2002 auf einer Liste zu überwachender Personen stand.

Dass die NSA ohne den US-Präsidenten zu informieren systematisch andere Regierungschefs bespitzelt, ist schwer vorstellbar. Und wenn doch, hat Obama wohl ein noch größeres Problem, als Merkels Wut zu dämpfen.

wieland.schneider@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.10.2013)

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