Wie gefährlich sind die Fußballfans?

Das Ernst-Kirchweger-Haus wurde von rechtsextremen Fußballfans gestürmt.
Das Ernst-Kirchweger-Haus wurde von rechtsextremen Fußballfans gestürmt. APA/HERBERT PFARRHOFER
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Nach dem Angriff auf einen türkischen Verein durch radikale Fußballfans ermittelt der Verfassungsschutz. Generell ist Rassismus im Fußball zuletzt aber merklich zurückgegangen.

Wien. Man darf davon ausgehen, dass der Ort des Angriffs nicht zufällig gewählt war: Sonntag stürmten 30 Männer, die der als rechtsradikal geltenden Austria-Wien-Fangruppierung „Unsterblich Wien" angehören sollen, das (symbolträchtige) Ernst-Kirchweger-Haus (EKH) in Favoriten. Benannt nach dem Kommunisten Kirchweger, der bei einer Demo gegen Antisemitismus starb, beherbergt das lange als besetztes Haus bekannte EKH auch den türkischen Verein ATIGF.

In dessen Räumlichkeiten drang am Sonntag, wenige Stunden vor dem Wiener Derby, eine Gruppe Männer ein. Ein Mann, Mitglied der kommunistischen Gewerkschaftsinitiative International, die gerade eine Tagung abhielt, wurde dabei leicht verletzt. Den Männern im Gebäude gelang es, die Angreifer nach draußen zu drängen, wo sich diese bei einer Baustelle mit Latten und Flaschen bewaffneten, schließlich aber die Flucht ergriffen. Neun Männer, zwischen 23 und 38 Jahre alt, wurden festgenommen.

Hitlergruß vorgeführt?

Alle neun Verdächtigen sind, wie Polizeisprecherin Adina Mircioane sagt, amtsbekannt. „Sieben sind wegen Gewaltdelikten vorgemerkt, zwei wurden bereits früher nach dem Verbotsgesetz angezeigt." Auch am Sonntag sollen die Angreifer Parolen wie „Heil Hitler" gerufen und den Hitlergruß vorgeführt haben. Das habe sie von Augenzeugen des Angriffs gehört, berichtet die grüne Menschenrechtssprecherin Alev Korun in einer Aussendung. Die Polizei will dies nicht bestätigen, das Landesamt für Verfassungsschutz hat aber die Ermittlungen aufgenommen und sichtet derzeit Video- und Fotomaterial, das offenbar von Zeugen zur Verfügung gestellt wurde. „In den nächsten Tagen" werde man wissen, ob es Anzeigen wegen Übertretung des Verbotsgesetzes geben wird. Die Festgenommen gehören jedenfalls der Gruppe „Unsterblich" an.

Eine Gruppe, die generell keine unbekannte ist. Immer wieder sind deren Mitglieder durch rassistische und neonazistische Parolen („Adolf Hitler ist mein Freund") aufgefallen. Anfang 2012 wurde „Unsterblich" der Status als offizieller Fanklub der Wiener Austria aberkannt, mehrere Mitglieder wurden mit einem Hausverbot und einem bundesligaweiten Stadionverbot belegt, darunter angeblich auch einige der nun Festgenommenen. Die Austria hat sich am Montag auch deutlich von „Unsterblich" distanziert. Derartige Vorfälle sind „zum Glück die Ausnahme", sagt Austria-Sprecher Christoph Pflug. „Im Stadion ist Ruhe eingekehrt, Gott sei dank."

Dabei ist es noch gar nicht so lange her, da waren Wiener Derbys echte Sicherheitsspiele. Das sind sie heute noch, aber gewaltbereite Fans kommen in Österreich nicht mehr so leicht in die Stadien. Bengalische Feuer wurden verboten, dass sich rivalisierende Fangruppen mit Leuchtkugeln beschießen, ist zuletzt in der obersten Spielklasse nicht mehr vorgekommen. Heute trifft man sich höchstens noch vor einem Spiel auf einer entlegen Wiese, um sich eine Schlägerei zu liefern.

Bei "Dorfklubs" keine Hooligans bekannt

Die Maßnahmen der Bundesliga, die immer wieder zu Fair-Play-Aktionen aufruft, greifen. Auch bei Rapid hat man Probleme mit auffälligen Anhängern weitgehend im Griff. Auf der früher gefürchteten Westtribüne, wo der harte Kern der Fans beheimatet ist, hat ein Selbstreinigungsprozess stattgefunden. Rechtsradikale Stadionbesucher wurden ausgeschlossen. Das war dem scheidenden Präsidenten Rudolf Edlinger, der die Geschichte des Vereins in der Nazizeit aufarbeiten ließ und ein Buch darüber in Auftrag gegen hat, immer ein großes Anliegen. Der Platzsturm im Mai 2011 hatte andere Hintergründe, er sollte damals in erster Linie eine Form des Protests gegen sportliche Erfolglosigkeit sein. Mittlerweile hat sich die Kritik gegen die aktuelle Vereinsführung verlagert.

Eine Gruppe unangenehmer Fans findet sich in Innsbruck, auch in Graz gibt es bei Sturm eine Gruppierung, die zur Gewalt neigt. Aber mit Zunahme der Dorfklubs in der Liga nahmen auch die Probleme ab. Viele alte Rivalitäten existieren einfach nicht mehr. In Wiener Neustadt, Grödig, Ried oder Wolfsberg sind keine Hooligans bekannt. Die Fetzen fliegen eher in den unteren Regionen. Etwa wenn die alte Austria Salzburg auf die Red Bull Amateure trifft. Ein Lokalderby der besonderen Art. (mpm/wie/red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29. Oktober 2013)

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