Tschechien: Machtkampf bei Sozialdemokraten

ČSSD-Chef Bohuslav Sobotka
ČSSD-Chef Bohuslav Sobotka(c) REUTERS (DAVID W CERNY)
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Der Chef der tschechischen Sozialdemokraten (ČSSD), Bohuslav Sobotka, wirft seinem Vizeparteichef Michal Hašek vor, ihn stürzen zu wollen.

Prag. Nach dem enttäuschenden Abschneiden bei der Parlamentswahl am Wochenende tobt bei den tschechischen Sozialdemokraten (ČSSD) ein Machtkampf. Zwar wurde die ČSSD stimmenstärkste Partei, blieb aber weit hinter den Erwartungen zurück. Deshalb forderte der Parteivorstand den ČSSD-Chef und Spitzenkandidaten bei der Parlamentswahl, Bohuslav Sobotka, zum Rücktritt auf.

Sobotka weigert sich jedoch beharrlich, sein Amt zurückzulegen und sprach am Montag von einem „Putschversuch“. Und er nannte auch die Namen der Personen, die seiner Ansicht nach den Umsturz planten: Staatspräsident Miloš Zeman, dessen Anhänger in der ČSSD und Vizeparteichef Michal Hašek.

Zeman war bereits nach Bekanntwerden des Wahlergebnisses am Samstagabend mit Hašek und anderen Anhängern innerhalb der sozialdemokratischen Partei zusammengetroffen. „Zeman sollte sich nicht in die Angelegenheiten der ČSSD einmischen“, erklärte Sobotka nun auf Facebook. Zu dem „Putschversuch“ wäre es auch bei einem besseren Abschneiden bei der Parlamentswahl gekommen, klagte der Parteichef. Die ČSSD dürfe nicht „zum Opfer einiger Funktionäre werden, die nur ihre eigenen Ambitionen und Regierungsposten vor Augen haben. Sobotka wirft Hašek und den anderen vor, ihn umgehen zu wollen und hinter seinem Rücken mit Präsident Zeman die künftigen Koalitionsverhandlungen abzusprechen. In der tschechischen Republik gibt der Präsident den Auftrag zur Regierungsbildung und ernennt den Premierminister.

„Reaktion auf Schweinerei“

Sozialdemokraten-Vizechef Hašek wies die Vorwürfe des Parteivorsitzenden zurück: Er verstehe die „Hysterie“ nicht, die nach dem Beschluss des Parteivorstandes ausgebrochen sei. „Ich bin nicht daran interessiert, der ČSSD zu schaden. Wer das sagt, der manipuliert die Fakten, entstellt die Realität und lügt.“ Vor dem Geheimtreffen mit Zeman hatte Hašek aber noch behauptet, die Partei werde Sobotka als künftigen Regierungschef vorschlagen. Nur einen Tag später verlangte er dann Sobotkas Rücktritt.

ČSSD-Senator Jiři Dienstbier sprang Parteichef Sobotka bei: Dessen Äußerungen seien keine Hysterie, sondern nur „eine Reaktion auf die Schweinerei“, die Hašek bei Zeman inszeniert und im Parteivorstand umgesetzt habe. (APA, red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.10.2013)

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