Elisabeth Leopold: Direktor Natters Rücktritt "feig"

Am 6. September 2011 stellte Elisabeth Leopold Tobias Natter vor
Am 6. September 2011 stellte Elisabeth Leopold Tobias Natter vor(c) APA (ROLAND SCHLAGER)
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Es sei eine "unglaubliche Undankbarkeit, einfach hinzuschmeißen, anstatt mir beizustehen", sagt die Sammlerwitwe über den Leopold-Direktor, der völlig unerwartet gekündigt hat. Die Kultusgemeinde will das Museum auflösen.

Der Abschied von Tobias G. Natter als museologischer Direktor des Wiener Leopold Museums, die er am Montagabend bei der Preisverleihung des OscART öffentlich machte, kam auch für Elisabeth Leopold völlig überraschend. Die Witwe des Sammlers und Museumsgründers Rudolf Leopold habe erst wenige Minuten, bevor Natter die Bombe platzen ließ, von der Kündigung erfahren. "Es tut mir weh. Ich finde es sehr undankbar mir gegenüber, weil ich mich voll eingesetzt habe, ihn ans Leopold Museum zu holen", sagte Elisabeth Leopold am Dienstagvormittag der APA. "Ich finde es feig, sich zurückzuziehen, statt die Dinge in Ruhe miteinander auszureden. Denn auf wessen Kosten geht es denn? Auf Kosten des Museums, der Stiftung und auf meine Kosten, obwohl ich ihm so vertraut habe. Natter lässt damit einen Scherbenhaufen zurück. Er hat damit nichts besser gemacht". Noch deutlichere Worte fand Leopold in der "ZiB" um 9 Uhr. Es sei eine "unglaubliche Undankbarkeit, einfach hinzuschmeißen, anstatt mir beizustehen", sagte sie.

Stiftungstätigkeit "Auslöser, nicht Ursache"

Hans Albers (rechts) und Gustav Ucicky bei den Dreharbeiten zu
Hans Albers (rechts) und Gustav Ucicky bei den Dreharbeiten zu "Savoy-Hotel 217" (1936 in Berlin uraufgeführt)(c) imago stock&people

Als Grund für seine Kündigung nannte Natter die Doppelfunktion des kaufmännischen Direktors Peter Weinhäupl. Dieser ist bei der neu gegründeten Klimt-Ucicky-Foundation Vorsitzender des Vorstandes. Die "Gustav Klimt. Wien 1900 Privatstiftung" verfügt über 14 Klimt-Werke aus der ehemaligen Sammlung Gustav Ucicky sieht sich teils mit Raubkunstvorwürfen konfrontiert. Ucicky, vermutlich ein unehelicher Sohn des Malers, war als Regisseur in der NS-Zeit mit Propagandafilmen wie "Heimkehr" (1942) erfolgreich. Neben Weinhäupl sitzen noch dessen Lebensgefährtin Sandra Tretter sowie sein Bruder im Vorstand. Stiftungsanwalt Andreas Nödl ist auch Mitglied im Vorstand der Leopold Museum Privatstiftung.

Für Elisabeth Leopold ist der von Natter genannte Grund aber "nur der Anlass, aber nicht die Ursache" für seinen Rücktritt. Vielmehr habe sie schon in der Vergangenheit eine gewisse "Disharmonie zwischen zwei unterschiedlichen Charakteren" bei Natter und Weinhäupl gespürt: "Die zwei haben sich nicht verstanden. Das ist schade. Denn beide sind gut."

"Möchte mit dieser Stiftung nichts zu tun haben"

Weinhäupls Doppelfunktion ist vom Vorstand des Leopold Museums nicht als Unvereinbarkeit gesehen worden. Elisabeth Leopold wurde bei dieser Entscheidung überstimmt, gibt sie zu. "Ich möchte mit dieser Klimt-Stiftung nichts zu tun haben. Es stört mich, dass wir damit jetzt wieder mit Raubkunst in Verbindung gebracht werden. Das tut uns atmosphärisch nicht gut."

Umstrittene Klimt-Stiftung

Mit ihrer Gründung Ende September sorgte die Klimt-Ucicky-Foundation „Gustav Klimt/Wien 1900 Foundation" für Irritationen in der Kunstwelt. Sowohl die Familie Leopold als auch das Museums-Team erfuhren erst durch die Medien von der Stiftung ihres kaufmännischen Direktors, deren Stiftungszwecke sich teils fast wortwörtlich gleichen: Beide wollen die Bedeutung der Kunst in Wien um 1900 darstellen.

Das sei besonders ärgerlich, da es nun einzig darum gehe, um die Erhöhung der Bundeszuschüsse für das Leopold Museum zu kämpfen. Dazu werde in Kürze ein Gutachten des Zivilrechtlers Peter Doralt vorgelegt werden können, wonach aus dem Stiftungsvertrag die Verpflichtung des Bundes zur Anhebung der Abgangsdeckung abgeleitet werden könne. "Mir geht es jetzt nur um den Kampf ums Überleben der Leopold Museum Privatstiftung. Den werden wir halt jetzt ohne Natter kämpfen müssen."

Leopold Museum will jährlich zwei Millionen mehr

Man brauche dringend zusätzliche Mittel, schließlich bekäme man nur einen Bruchteil der Basisabgeltung von Mumok oder MAK. Den Mehrbedarf bezifferte Elisabeth Leopold mit "mindestens ein bis zwei Millionen Euro jährlich".

IKG will Leopold Museum auflösen

Die Israelitische Kultusgemeinde sieht nach dem Rücktritt Natters die Zeit für harte Schritte gekommen - und fordert die Auflösung des Museums. Man solle eine Museumsneuordnung angehen. "Das würde bedeuten, das Leopold Museum in seiner jetzigen Form aufzulösen, den Teil der Sammlung mit Bildern von Klimt, Schiele etc. dem Belvedere zu übergeben und die weiteren Teile entsprechenden anderen Museen zu überlassen. Das damit freigewordene Gebäude könnte dann dem Mumok als 'Ausstellungshalle' zur Verfügung stehen", so IKG-Präsident Oskar Deutsch und Erika Jakubovits vom Präsidium der IKG.

In jedem Falle sei eine Bestellung von Leopold-Sohn Diethard zum Nachfolger von Natter strikt abzulehnen, "da Diethard Leopold die restitutionsfeindliche Politik seines Vaters unverändert fortsetzt". Im Gegenteil solle man die Vorstandstätigkeit von Leopold und Anwalt Andreas Nödl im Stiftungsvorstand auslaufen lassen. Der Rücktritt Natters sei jedenfalls ein mutiger Schritt, der von Ernsthaftigkeit und Integrität zeuge, so Deutsch und Jakubovits.

Albertina-Direktor lobt Natters "moralische Integrität"

Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder, der am Montagabend die Laudatio auf Natter bei der OscART-Verleihung hielt, hat Hochachtung für Natters Entscheidung. "Dass Natter diesen Schritt setzt, ohne zu wissen, wie es danach weitergeht, das ringt mir unglaublichen Respekt ab. Es spricht Mut und große moralische Integrität daraus." Er habe ihn vor der Laudatio gebeten, "doch deutlich zu betonen, dass er der legitime Nachfolger von Rudolf Leopold ist", so Schröder.

Ob die Doppelfunktion Weinhäupls vereinbar sei, hinge vom Dienstvertrag ab: "Im Falle der Albertina wäre es nicht möglich. Er finde es jedenfalls nicht richtig vom Leopold-Vorstand, die Weinhäupl-Nebenbeschäftigung zu akzeptieren: "Das Leopold Museum ist in seiner Genese in den Verdacht geraten, vielleicht direkt oder indirekt Nutznießer der Judenverfolgung zu sein, der Enteignungen, der Raubkunst. Dass sich dieses Museum nun dank einer Personenidentität wieder mit einer Sammlung in Zusammenhang gerückt sieht, die jedenfalls in der Figur Ucicky eine nationalsozialistische Vergangenheit aufweist, das halte ich für keine kluge Entscheidung." Dass dabei die neue Klimt-Stiftung betont, Provenienzforschung zu betreiben, finde er prinzipiell gut und richtig: "Ich habe kein Indiz, ob das stimmt oder nicht. Also glaube ich das zunächst einmal."

(APA)

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