Cap ist geknickt, Stronach scherzt, Lindner schaut zu

Parlament geknickt Stronach scherzt
Parlament geknickt Stronach scherzt(c) APA/GEORG HOCHMUTH
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Der Nationalrat schwört sich auf einen neuen Stil ein. Barbara Prammer bleibt Präsidentin, Karlheinz Kopf und Norbert Hofer vertreten sie.

Wien. Ein neuer Politikstil? Zumindest die Sitzordnung im Nationalrat ist neu und ungewohnt. Kanzler Werner Faymann hat anlässlich der konstituierenden Sitzung am Dienstag nicht auf der Regierungsbank Platz genommen, sondern in der ersten Reihe der SPÖ-Ränge, neben seinem neuen Klubobmann, Andreas Schieder. Dessen Vorgänger, Josef Cap, wurde in die zweite Reihe versetzt, er ist jetzt Klubobmannstellvertreter. Von Caps Sitzhaltung – irgendetwas zwischen lässig und lümmelnd – lässt sich ablesen, dass ihm sein neuer Platz weniger behagt. Er wirkt geknickt.

Auch Michael Spindelegger, interimistischer Klubchef der ÖVP, weilt dieses Mal mitten unter den Volksvertretern. Schräg hinter ihm ist die zukünftige Ex-Finanzministerin Maria Fekter zu sehen, die dem schwarzen Parlamentsklub beinahe eine Kampfabstimmung beschert hätte, weil sie gern Zweite Nationalratspräsidentin geworden wäre. Doch der Parteiobmann hat sich für Karlheinz Kopf entschieden. Spindelegger und Fekter würdigen sich keines Blickes.

Vorn, auf der Regierungsbank, sitzen nur (Noch-)Bildungsministerin Claudia Schmied und (Noch-)Gesundheitsminister Alois Stöger, die beide kein Mandat bekommen haben, sowie Staatssekretär Josef Ostermayer, der alsbald zum Minister aufsteigen dürfte. Die anderen Regierungsmitglieder sind zwar auch gekommen, aber als Nationalratsabgeordnete. Das bleiben sie zumindest so lange, bis die Koalitionsverhandlungen abgeschlossen sind. Und das kann dauern.

Die neue Gesetzgebungsperiode wird mit der Bundeshymne eröffnet, wobei das Singen nicht zu den Stärken der Abgeordneten zählt. Es gab schon schönere Gesangsdarbietungen als diese, obwohl sich der ÖVP-Mandatar Werner Amon wirklich bemüht. Aber was nützt das, wenn es die meisten nicht einmal versuchen? FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und Frank Stronach stehen nur stramm wie Soldaten. Und Monika Lindner, die einzige fraktionslose Abgeordnete, hat es sich in der letzten Reihe, zwischen den ÖVP- und den FPÖ-Rängen, stumm gemütlich gemacht – mit einem Sicherheitsabstand zum Team Stronach, dem sie ihr Mandat verdankt.

Andreas Schieder darf nach der Angelobung als Erster ans Pult. Die Rede ist bemüht– seinem Vorgänger Josef Cap ist der neue SPÖ-Klubchef rhetorisch aber deutlich unterlegen. Schieder würdigt die Breite des SPÖ-Klubs, dem Gastarbeiterkinder genauso angehörten wie „Abgeordnete aus den Alpen“. Es ist der erste humoristische Beitrag in dieser Periode, wenn auch ein nicht geplanter. Danach beschwört Schieder einen neuen Arbeitsstil in Regierung und Parlament: SPÖ und ÖVP müssten verstärkt den Dialog mit der Opposition suchen, sagt er. Darauf können sich an diesem Tag alle verständigen.

Auch Monika Lindner gefällt das, sie klatscht für Schieder und für Spindelegger, der wenig später mit ähnlichen Worten eine neue Form der Zusammenarbeit herbeisehnt. Doch irgendwie wirkt Lindner heute abgelenkt. Laufend gibt sie einer Mitarbeiterin, die beinahe während der gesamten Sitzung hinter ihr steht, Anweisungen. Den Grund kann man nur erahnen: Eben erst ist bekannt geworden, dass die ehemalige ORF-Generaldirektorin ihr Vorstandsmandat in der St. Anna Kinderkrebsforschung verloren hat. Man wirft ihr Freunderlwirtschaft vor. Was Lindner bestreitet (siehe dazu Bericht auf Seite 4).

Klassentreffen in der Mittelloge

Das Zuschauerinteresse an Lindner verlagert sich erst, als die Hauptdarsteller des Teams Stronach ihren Auftritt haben. Vor Kathrin Nachbaurs Rede ist es plötzlich still im Saal. Stronachs Klubchefin zitiert Tacitus („Je korrupter ein Staat, desto mehr Gesetze“), dankt ihrem Vater, der aus der Steiermark angereist ist, und natürlich Frank Stronach. „Weil er uns geholfen hat, den Fuß in die Tür zu bekommen.“ Stronach selbst kann in seiner Antrittsrede gar nicht fassen, dass er neun Minuten Zeit zum Reden hat. „Im ORF habe ich immer nur eine oder zwei bekommen.“ Jedenfalls freue er sich, „hier zu sein in diesem ehrenhaften Parlament“.

Oben, in der Mittelloge, findet inzwischen eine Art politisches Klassentreffen statt. Bundespräsident Heinz Fischer ist da. Ex-Vizekanzler Norbert Steger beobachtet, wie sich Tochter Petra an ihrem ersten Tag als FPÖ-Mandatarin macht. Und auch die Ex-Minister Robert Lichal und Friedhelm Frischenschlager verfolgen aufmerksam das Geschehen.

Als der nächste Neuling, nämlich Neos-Chef Matthias Strolz, am Wort ist, rückt aber nur LIF-Gründerin Heide Schmidt in die erste Logenreihe vor. Sie hört die emotionalste Rede an diesem Tag „Wir sind da, und darüber freuen wir uns sehr“, frohlockt Strolz. Da der Applaus verhalten ausfällt, fügt er feixend hinzu: „Offenbar freuen sich nicht alle mit uns, aber das kann ja noch werden.“

Apropos neuer Stil: Zum Erstaunen aller kündigt Strolz an, jeder seiner Wortmeldungen im Parlament künftig „ein Wort der Wertschätzung“ voranzustellen – als Vorbild diene ihm Brasilien. Zur Premiere bedankt sich Strolz bei den anderen Fraktionen für die „freundlichen Erstkontakte“ und bei Grünen-Chefin Eva Glawischnig für ihren Vorschlag, die Bildungsreform dem Nationalrat zu überlassen. Immerhin hätte sich die Regierung in eine Sackgasse manövriert. Das obligatorische Murren bleibt überraschend aus.

Am Ende der Sitzung steht dann die Wahl des Nationalratspräsidiums an: Der FPÖ-Kandidat Norbert Hofer wird mit 80,3 Prozent zum Dritten Präsidenten gewählt. Für Karlheinz Kopf als Zweiten Präsidenten stimmen 82 Prozent. Die Erste Präsidentin Barbara Prammer wird mit 83,5 Prozent im Amt bestätigt. Beinahe gleich viel – 83,3 Prozent – hat Prammer auch schon 2008 erhalten.

Sie nehme das Amt „mit viel Freude und Demut“ an, sagt die Präsidentin. Und appelliert an die Abgeordneten, „den heutigen Tag als Chance zu verstehen, sich gemeinsam um eine parlamentarische Debatten- und Streitkultur zu bemühen, die den Erwartungen der Bürger gerecht wird“. Nickende Köpfe im Plenum. Man wird es zumindest versuchen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.10.2013)

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