Porträt: Von Graz in die Welt und zurück

So sah man Franz Küberl öfter: Beim Sammeln von Spenden (hier bei Rewe-Vorstand Frank Hensel)
So sah man Franz Küberl öfter: Beim Sammeln von Spenden (hier bei Rewe-Vorstand Frank Hensel)REWE/APA
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Der Caritas-Präsident über Kindsein im Grazer Souterrain, Aufbruchsstimmung im Wien der späten 1970er-Jahre, politische Reife Österreichs und „innere Speisung“.

Seit 1995 ist der gebürtige Grazer Franz Küberl Präsident der Caritas Österreich und zählt zu den wohl bekanntesten Gesichtern und Stimmen des Landes. Irgendwie, so sagt er selbst, habe er es bis jetzt eben "derhoben". "Man muss in der Sache begeistert sein und Leute begeistern können, sonst kann man einpacken." Nun verlässt er als Präsident der Organisation zumindest die bundesweite Bühne. Auf Landesebene will er sich jedoch weiterhin für die soziale Sache engagieren.

"Wenn ich mein Leben betrachte, dann würde ich sagen, bin ich ein doppeltes Glückskind." Einerseits erlebte Küberl "jenen kurzen Moment der 2. Republik, wo allen alles offengestanden ist". Alles sei damals, Ende der 1960er-Jahre "sehr bruchlos" über die Bühne gegangen, als Arbeitssuchender sei man "erwartet worden, die Nachfrage war enorm". Und andererseits, schon früh, der bedeutende Einfluss der Kirche auf sein Dasein: "Das Zweite Vatikanum (1962-65, Anm.), dieser kirchliche Aufbruch, der hat mich schon sehr mitgerissen. Ich wäre sonst heute nicht da wo ich jetzt bin."

Aufgewachsen im Souterrain

Dabei gab es für das "Glückskind" durchaus auch harte Zeiten. Aufgewachsen im Souterrain in der Grazer Schubertstraße, als Hausmeisterbub, war es ihm erst mit zwölf möglich "waagrecht ins Freie zu schauen". Doch schon damals habe es Menschen gegeben, "denen ich ein Anliegen war". Der junge Küberl absolviert die Handelsschule und wird der letzte Standesbuchschreiber im Landeskrankenhaus. Sein Job: Eintragen und Austragen aller Leute, die ins Spital rein- und wieder rausgehen. "Nach mir kam dann die EDV." Und Küberl geht nach Wien.

In der Bundeshauptstadt kommt er an, klar, ausgerechnet am 1. August 1976. Er steht am Handelskai und sieht die Massen an Schaulustigen, die Salzgurkenverkäufer, die das Geschäft ihres Lebens machen, er sieht jene, die Souvenirs erstehen, Schrauben und andere Metallteile von der soeben eingestürzten Reichsbrücke. "Ein unvergessliches Ereignis." Nicht das letzte in diesem aufregenden Jahrzehnt. Küberl sieht Wien erwachen, die graue, tote Metropole bekommt ihre ersten Farbkleckse, die "Gruppe 80", das Metropol, und er stets mit dabei am Puls des Geschehens.

Bei Qualtinger im Prückel


Durch seine Zugehörigkeit zur Katholischen Jugend Österreichs lernt Küberl "kulturell und politisch viel dazu", es folgen zahlreiche Auslandsreisen, auf denen er Kontakte knüpft, die zum Teil bis heute gehalten haben. "Ich war nur sehr schüchtern, ich hab zum Beispiel den Friedrich Heer getroffen, den ich sehr verehrt habe, traute mich aber nicht ihn anzusprechen. Oder den Qualtinger im Cafe Prückel." Doch die Schüchternheit weicht, Küberl wird Vorsitzender des Bundesjugendringes, knüpft freundschaftliche Bande zu Josef Cap, Wolfgang Katzian, Josef Höchtl, Othmar Karas, Michael Häupl, Alexander Wrabetz. "Das Schöne war, wir haben über so manche unterschiedliche Weltanschauungen hinweg sehr gut miteinander kooperiert."

Dann der – absichtlich herbeigeführte – Bruch. Weg von Wien, Schluss mit den Reisen in alle Welt, zurück nach Graz, Reisen höchstens noch in die Vororte der steirischen Landeshauptstadt. "Ich bin sehr froh, dass ich das getan habe, ich hatte damals schon die ersten Jahresringe der Präpotenz entwickelt." Küberl wird Generalsekretär der Katholischen Aktion. "Und irgendwann kommt der damalige Bischof (Johann) Weber zu mir und meint, er braucht einen Caritas Direktor für die Diözese Graz-Seckau." Da war sie, die Verbindung Caritas-Küberl.

In Schüllers Fußstapfen


Nur 13 Monate später, im Oktober 1995, gleich der nächste Paukenschlag: die Wahl zum Caritas Direktor von ganz Österreich. Küberl, noch heute etwas verwundert: "Da komm ich daher, so ein Nagelschuh-Laie, und bin plötzlich Nachfolger von einem Leopold Ungar und einem Helmut Schüller, diesen großen Meistern des Intellektuellen und Priestern." Aber man habe es ihm eben zugetraut, vor allem auch deshalb, weil er sich in Wien am besten orientieren konnte.

Ein Rückblick auf sechs Jahrzehnte Küberl ist, wie er sagt, auch ein Rückblick auf "mehr als 40 Jahre politisches Denken". Seine Erkenntnis? "Österreich ist reifer geworden." Nur die Politik, die verkaufe sich unter ihrem Wert, sie präsentiere sich doch manchmal als "Kasperliade". "Ich glaube, was uns gegenüber anderen vergleichbaren Ländern fehlt: die Klarheit, dass die eigene Weltanschauung das eine ist und ein vom Volk übertragenes Amt das andere; es verlangt Abstand von Parteipolitik, keine Verleugnung, nur ein bisschen Abstand. Man denke an die Niederlande, Dänemark oder Norwegen. Dort ist es selbstverständlich, dass man keine eigenen Süppchen kocht, sondern weiterbaut."

Sein Urteil über Österreich, wie er es sieht, ist milder geworden. "Was die Zuwanderungsfrage betrifft, so sind wir deutlich vernünftiger als noch vor zehn oder 15 Jahren. Da hat sich einiges entwickelt. Wir sind nicht am Ende angelangt, auch Fortschritt im Leben erfolgt über die Bewältigung von Problemen. Dem entkommen wir nicht. Aber zu glauben, dass man in seinem Paradeisgartl ungestört seine Früchte genießen kann, das spielt es nicht. Denn nur wenn es meinem Nachbarn gut geht, wird es mir auch gut gehen. Das gilt für den Schrebergarten genauso wie für das Dorf, das wir Welt nennen."

Am Dorf Österreich, mit seiner "großen Kapazität an Mieselsucht", müsse "klug weitergebaut" werden. Man dürfe die "schwierigen Flecken" nicht ausblenden, so Küberl. "Die Gerechtigkeit ist jeden Tag neu einzurichten. Es geht um die ständige Umverteilung von Zeit, Liebe und materiellen Dingen." Die Erwartungen an die Caritas seien diesbezüglich "ungeheuer groß". "Und wir müssen ihnen gerecht werden, dürfen uns dem Joch nicht beugen."

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