Autonomie muss mehr sein als ein Feigenblatt

Die Misere um die Uni-Gebühren zeigt, was falsch verstandene Autonomie anrichtet. Die Koalition darf bei der Schule nicht denselben Fehler machen.

Irgendwie hat es dieser Tage den Anschein, als wäre für die heimischen Universitäten doch zu viel Geld da. Ziemlich genau eine halbe Million Euro machte das Ministerium locker, um die Unis (zumindest annähernd) für Kosten zu entschädigen, die eigentlich nie hätten entstehen müssen. Für all den administrativen Aufwand nämlich, der nötig wird, weil nun zehntausenden Studierenden die vor einem Jahr zu Unrecht eingehobenen Studiengebühren retourniert werden müssen.

Und auch, wenn es sich um eine vergleichsweise moderate Geldsumme handelt (500.000 Euro mehr oder weniger entscheiden nicht wirklich über die Zukunft der Unis): Hätte die Regierung damals in puncto Studiengebühren ordentliche Lösungen gesucht, statt juristische Waghalsigkeiten zu propagieren, so könnte man mit dem Geld jetzt ein paar junge Forscher anstellen. Um nur ein Beispiel zu nennen.

Dass die Regierung die Idee der Autonomie dazu missbraucht hat, die heiklen Gebühren politisch zu umschiffen, dass sie sich, wenn überhaupt, auf halb gare Regelungen verständigt hat, ist der Hochschulen unwürdig. Umso mehr, als man diese via Unterfinanzierung parallel dazu nötigt, selbst Hand anzulegen, um Geld in die Kassen zu bekommen. Dass das ziemlich unangenehm werden kann, zeigt sich aktuell auch bei den Gebühren, die manche Unis für Aufnahmetests einheben (laut den Unis in Absprache mit dem Ministerium): Auch das könnte laut einem Gutachten verfassungswidrig sein.


Zumindest eines würde man von der im Entstehen begriffenen erneuten Koalition erwarten, zumal deren Protagonisten ja seit dem Wahlabend den sogenannten neuen Stil predigen: dass sie in puncto Universität Gesetze macht, die nicht sofort wieder von den Verfassungsrichtern aufgehoben werden. Gesetze, die dem Sektor nicht nur unnötige Kosten ersparen, sondern auch die ständige Unsicherheit.

Doch die Gefahr, dass sich die neue Regierung dieses Themas nicht in der Form annimmt, wie es den Unis geschuldet wäre, ist groß. Wie groß, das lässt sich allein schon daran ablesen, wie in den vergangenen paar Wochen damit umgegangen wurde. Daran, dass man nach der Fixierung des Verhandlungsteams tagelang darüber im Unklaren gelassen wurde, wer denn eigentlich über Hochschulen verhandelt (oder: ob das überhaupt jemand macht). Daran, dass die Uni-Vertreter, ebenso wie die Studierenden, nicht einmal gefragt werden, sondern ihre Vorstellungen bestenfalls per Aussendung übermitteln dürfen (während bei den Verhandlungen über die Schule ein Lehrervertreter mit am Tisch sitzt). Ganz zu schweigen von der Frage, ob es in der neuen Legislaturperiode überhaupt ein eigenes Wissenschaftsministerium geben wird – oder ob dieses filetiert einem anderen Ressortchef zugeschlagen wird oder ähnlich Obskures.

Angesichts all dessen muss man auch in puncto Schule skeptisch werden. Denn wie zuletzt aus Verhandlerkreisen zu vernehmen war, dürfte es bei den Gesprächen auch um einen Ausbau der Schulautonomie gehen. Was an sich ja gut ist: Mehr Autonomie, mehr Raum für Eigenverantwortung täten den heimischen Schulen, die derzeit am Gängelband von Inspektoren, Landesschulräten und Ministerium hängen, sicherlich gut.

Doch besteht auch hier die Gefahr, dass sich die Koalition – neuer Stil hin oder her – mittels einer absichtlich falsch verstandenen Idee von Autonomie über die grundlegenden Richtungsentscheidungen hinwegschummelt. Ganz nach dem Motto: Ausbau der Ganztagsschulen? Gesamtschule ja oder nein? Das soll halt jeder Standort für sich entscheiden!

Damit hätte man sich strittiger Themen scheinbar elegant entledigt. Es wäre jedoch ein völlig falsches Signal. Denn während man den Schulleitern durchaus zutrauen sollte, ihr Lehrerteam selbst zusammenzustellen, über ihr Budget zu verfügen oder die Schwerpunkte zu setzen, die sie für richtig halten, ist es immer noch der Job einer Regierung, über die Strukturen zu entscheiden.

Was passiert, wenn man die Autonomie bloß als Feigenblatt benutzt, hat die Misere um die Studiengebühren bereits ziemlich deutlich gezeigt.

E-Mails:bernadette.bayrhammer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.10.2013)

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