In Folge der NSA-Affäre verweist die Regierung auf das dichte Kontrollnetz, in dem sich Verfassungsschutz und die beiden Heeresdienste bewegen. Schaut man genau hin, gibt es jedoch große Schlupflöcher. Insbesondere für das Militär.
Wien. Seit dem Auffliegen der NSA-Affäre taucht regelmäßig die Frage nach dem Wissensstand heimischer Behörden auf. Und regelmäßig heißt es seitens der Regierung, dass Österreichs Dienste streng kontrolliert würden. Obwohl „Die Presse“ aufdeckte, dass die Kontaktstelle der NSA das Heeresnachrichtenamt (HNaA) ist. Obwohl zwischen NSA und dem HNaA demnach ein Vertrag besteht.
Die Details dazu hält die Regierung jedoch im Dunkeln. Das steht im Widerspruch zu jener von Innen- und Verteidigungsministerium behaupteten strengen Aufsicht, der Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT/Innenministerium) sowie HNaA und Abwehramt (AbwA/beide Verteidigungsministerium) unterstehen. Wie dicht ist nun das Kontrollnetz, in dem sich Österreichs Dienste bewegen, wirklich?
Warum das Militär „geheimer“ ist
Beide Ressorts stellen in diesem Zusammenhang gern ihren jeweiligen Rechtsschutzbeauftragten in die Auslage. Sie treten ihr Amt jeweils auf Vorschlag der Regierung an. Im Innenministerium kontrolliert der emeritierte Strafrechtsprofessor Manfred Burgstaller, im Verteidigungsministerium der ehemalige Sektionschef Alfred Mayer. Beide müssen Genehmigungen erteilen, wenn die Dienste verdeckt Bild- oder Tonaufzeichnungen von Zielpersonen anfertigen, Daten breitflächig auswerten oder Personen und Gruppen observieren, gegen die kein konkreter Tatverdacht vorliegt. Und beide müssen zur Entscheidungsfindung Einblick in die entsprechenden Unterlagen bekommen.
Es sei denn, die Dienste sind der Meinung, die Informierung des Rechtsschutzbeauftragten würde entweder Quellen, Personen oder gleich die gesamte nationale Sicherheit gefährden. Ausnahmen, mit denen man im ureigensten Tätigkeitsfeld von HNaA, BVT und Co. zwangsweise regelmäßig konfrontiert wird.
Über jene Dinge, zu denen Burgstaller und Mayer dann doch Zugang erhalten, berichten sie einmal jährlich an die zuständigen Minister. Die Details dazu sind jedoch unter Verschluss. Dennoch zeigt sich in diesem Zusammenhang ein kleiner Transparenzvorsprung des Innenministeriums. Dessen Rechtsschutzbeauftragter macht seit einigen Jahren zumindest einen anonymisierten Bericht mit Fallzahlen öffentlich. So sind inzwischen Vergleichswerte über die Häufigkeit besonderer Ermittlungsmethoden verfügbar.
Eine weitere Kontrollschiene, die den militärischen Diensten völlig fehlt, ist die Aufsicht durch die Staatsanwaltschaft. Sobald sich Verdachtslagen konkretisieren, übernehmen die Ankläger die Aufsicht über die Tätigkeit des Staatsschutzes. Das, sagt ein Mitarbeiter eines Dienstes, sei der Grund dafür, warum für die NSA eine systematische Zusammenarbeit mit Diensten nach dem Organisationsprinzip des BVT nicht infrage kommt. Der österreichische Staatsschutz ist genau genommen nämlich nur eine Polizeibehörde, bei der besondere Befugnisse, die nach dem Gesetz eigentlich jedem Streifenpolizisten zustehen, gebündelt sind. Enge Zusammenarbeit mit der Justiz macht jedoch Polizeiarbeit transparent, vor Gericht sogar öffentlich. Ein Risiko, das „echte“ Geheimdienste nicht eingehen wollen. Frei nach dem Motto: Jeder Mitwisser ist ein potenzielles Informationsleck. Als Kooperationspartner kommt daher nur das HNaA infrage.
Ein Dienst, der sogar aus seinem Logo ein Geheimnis macht. Die Anfrage der „Presse“, man möge das Abzeichen zur Darstellung des Amtes in einer Grafik doch bitte zusenden, wurde abgelehnt. Begründung: Das Logo diene nur der internen Kommunikation.
Hintertüren in der Verfassung
Eine interne Angelegenheit ist auch die laut Regierung schärfste Waffe gegen Willkür innerhalb der verschwiegenen Ämter: die parlamentarische Kontrolle. Sowohl beim Innen- als auch beim Landesverteidigungsausschuss sind sogenannte ständige Unterausschüsse installiert. Diese tagen in einem abhörsicheren Raum im Keller des Parlaments. In den Sitzungen werden einerseits die Berichte der Rechtsschutzbeauftragten vorgelegt, andererseits dürfen die Abgeordneten Fragen zur Arbeit der Dienste stellen. Manchmal bekommen sie Antworten, manchmal jedoch auch nicht.
Es ist nämlich keineswegs so, dass die Dienste und ihre verantwortlichen Minister den auf Verschwiegenheit vereidigten Abgeordneten bedingungslos Rede und Antwort stehen müssen. Die Geschäftsordnung des Nationalrats (§ 32 c. Abs. 2) öffnet den Spionen große Hintertüren. Eine Verpflichtung zur Auskunft besteht demnach nicht, „wenn dies dem befragten Mitglied der Bundesregierung nicht möglich ist oder wenn dadurch nationale Interessen oder die Sicherheit von Personen gefährdet werden können“. Weitreichende Ausnahmen, die übrigens auch in Artikel 52a. Abs. 2 der Bundesverfassung festgeschrieben wurden.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.11.2013)